„Shot in the Dark“ – ein Film über 3 Fotograf*innen, die im Laufe ihres Lebens erblindet sind oder mit einer Sehbehinderung geboren sind. Sie bedienen sich der Lichtmalerei und anderen Techniken, auch ihrer Erinnerung, um die Bilder zu vervollständigen. Nun werden die Bilder in Deutschland ausgestellt. Der Film kommt am 19. Januar in die deutschen Kinos. Wir sprachen mit Regisseur und Kameramann Frank Amann.
Leidmedien.de: Wie bist Du an das Thema „Fotografie von erblindeten Menschen“ herangegangen?
Frank Amann: Ich habe mich schon immer gefragt, was für Bilder blinde Menschen vor ihrem inneren Auge sehen. Dann entdeckte ich im Californian Museum of Photography eine Ausstellung von 15 blinden Fotograf*innen. Mir ist dort aufgefallen, dass die Bilder sehr von Phantasie leben. Der Abbildcharakter, den man normalerweise mit Fotografie verbindet, trat zurück. Da ist mir bewusst geworden, dass es nicht den blinden Fotografen gibt und nicht die blinde Fotografie. Blinde Menschen haben genauso verschiedene Interessen und Herangehensweisen wie sehende Menschen.
Leidmedien.de: Wie ging es danach weiter?
Frank Amann: Irgendwann habe ich mich mit den Protagonisten Bruce Hall und Pete Eckert getroffen. Ich wollte wissen, wie das Verhältnis ist zwischen dem was man vor dem inneren Auge hat und dem was man auf dem Bild sieht. Auch mir geht es so, dass bei meinen Bildern manchmal etwas völlig anderes dabei rauskommt, als das, was ich vorher im Kopf hatte. Im Zuge des Films habe auch ich darüber nachgedacht, was mir mein eigenes Sehen und die Bilder, die ich in meiner Vorstellung vor dem geistigen Auge habe, bedeuten.
Leidmedien.de: Wolltest Du durch den Film den Austausch in der Gesellschaft zwischen blinden und sehenden Menschen anregen?
Frank Amann: Mein Anliegen war nicht, einen Film über blinde Menschen zu machen, um damit zu zeigen, dass sie eine Minorität in unserer visuell orientierten Gesellschaft sind. Mein Ausgangspunkt war die Faszination darüber, was ich in ihren Arbeiten gesehen habe. Es ging im Workshop mit der Filmprotagonistin Sonia Soberats, der im Vorfeld der Filmpremiere stattfand, nicht darum, dass Sehende mit verbundenen Augen fotografieren und dabei Blindheit ausprobieren. Es ging vielmehr darum, dass Sehende von Blinden angeregt werden auszuprobieren, ob nicht aus der Vorstellungskraft vielmehr gewonnen werden kann, als wir gemeinhin annehmen.
In der Planung des Films hatte ich die Idee, einen Teil mit verbundenen Augen zu drehen. Es war eine wahnsinnige Anmaßung zu denken, dass ich die gleichen Fähigkeiten habe wie meine Protagonist*innen, die sich das über Jahre der Erblindung erworben haben. Das war absurd. Beim Workshop war es weniger ein Einfühlen in die Blindheit, sondern eher eine Begegnung der Menschen, eine Momentaufnahme. Es ist eine Chance für die Sehenden ihre Vorstellungskraft zu trainieren, weil wir ja immer gleich alles sehen können. Es geht um das Training des sogenannten geistigen Auges und um die eigene Vorstellungskraft.
Leidmedien.de: Der Film wird mit Audiodeskription angeboten. Wie gestaltete sich der Prozess, die Bilder für die Audiodeskription zu beschreiben, ohne zu viel zu interpretieren?
Frank Amann: Poetische Sprache ist bei der Audiodeskription eigentlich nicht erlaubt, da sonst zuviel interpretiert werde, sagten die Macher*innen der Audiodeskription. Ich entgegnete ihnen: ‚Ich hoffe mir ist ein poetischer Film gelungen, in der Audiodeskription kann doch nicht die ganze Poesie des Films unterschlagen werden‘. Ich habe die Audiodeskription dann der Bloggerin Barbara Fickert vorgelesen, da die Audiodeskription von einer blinden Person abgenommen werden muss. Mit ihren Vorschlägen wurde der Text letztendlich abgenommen.

Bild von Sonia Soberats aus dem Film. (Screenshot)
Leidmedien.de: Und wie ist das Ergebnis?
Frank Amann: Ich habe verstanden, dass Audiodeskription immer eine manipulative Lenkung ist, es geht gar nicht anders. In der Vorstellung der Rezipient*innen findet sich ja alles, was in der Audiodeskription beschrieben wird wieder, egal ob es im Film wirklich vorkommt oder nicht. Es ist eine Gratwanderung; keine Interpretation vorzugeben und trotzdem wiederzugeben, was man sieht. Und manchmal war es dann bei der allerersten Audiodeskription die für uns angefertigt wurde, so, dass die Beschreibung des Bildes nichts bei mir auslöste. Aber ich habe diesen Film doch gerade deshalb gemacht, weil die Fotografien etwas bei mir ausgelöst haben. Wenn sich dieses Gefühl beim Hören nicht einstellt, dann enthält man den blinden Menschen meiner Meinung nach etwas vor.
Den Film kann man im Kino mit Hilfe der Greta-App mit Audiodeskription schauen. Die Beschreibung wird jeweils mit den Kopfhörern des eigenen Smartphones gehört, ist also nicht für alle Kinozuschauer*innen zu hören. Das ist auch gut so, denn ich wollte, dass der Film nicht so didaktisch ist. Es gibt viel Spielraum während des Films etwas auf die je eigene Weise zu sehen und zu entdecken. Es gibt unterschiedliche Bedürfnisse beim Konsumieren des Films und diese sollen auch unterschiedlich erfüllt werden.
Bei der Ausstellung reflektieren wir diese Erfahrung mit der Audiodeskription durch eine kleine Installation, den »Polyphonen Blickwinkel«. Für drei der ausgestellten Bilder haben wir auch eine Audiodeskription in drei verschiedenen Versionen pro Bild angefertigt, um die Subjektivität der Betrachtung zu spiegeln. Jeder empfindet dasselbe Bild eben anders und nimmt es auch anders wahr. Diese Beschreibung ist wiederum auch für interessierte Sehende gedacht. Außerdem gibt es eine Audiodeskription für alle Bilder, die für blinde und sehbehinderte Gäste als Audioguide verfügbar ist.
Kinostart: 19.01.2017
Hier gibt es weitere Informationen zum Film, den Progatonist*innen und den Veranstaltungen.
Der Film wird u.a. in folgenden Kinos gezeigt:
Berlin: Sputnik Südstern, Brotfabrik
Hamburg: Abaton
Köln: Odeon
München: Werkstattkino
Titelbild: Titelbild zum Dokumentarfilm Shot in the dark. (Screenshot)