Eine Zwangserkankung ist keine „kleine Marotte“, wie sie jeder vielleicht hat. In ihrem Buch „Ich tick nicht richtig“ schildert die Immobilienmaklerin Hanka Rackwitz das Leben mit der psychischen Beeinträchtigung. Eine Buchkritik von Marlies Hübner

Wie stellt man sich eine Person vor, die mit Zwangsstörungen lebt? So wie Monk, der neurotische Privatdetektiv aus der gleichnamigen, bekannten amerikanischen Fernsehserie, würden viele sagen – aber sicher nicht wie die selbstbewusste, quirlige Hanka Rackwitz, die regelmäßig auf dem heimischen TV-Bildschirm zu sehen ist. Von dem Menschen hinter der TV-Persönlichkeit erzählt sie in ihrem Buch “Ich tick’ nicht richtig”.

Hanka Rackwitz ist eine sächsische Immobilienmaklerin, die durch Fernsehformate wie „Big Brother“ und „mieten, kaufen, wohnen“ Bekanntheit erreichte. Seit 2016 geht sie sehr offen mit ihren Ängsten und Zwängen um, unter denen sie nach eigenen Worten stark leidet. Sie möchte damit aufklären und das Stigma dieser schwierigen psychischen Beeinträchtigung abbauen.

Ein Trauma gilt als Auslöser für die Erkrankung

Unter einer Zwangserkrankung versteht man in der Medizin eine psychische Störung, die sich über unerwünschte, aber immer wiederkehrende Gedanken und unter Zwang ausgeführte wiederholte Handlungen definiert. Viele Menschen kennen das und nennen es harmlos „Marotte“. Der Übergang zur Erkrankung ist dann erreicht, wenn das Verhalten ein Ausmaß erreicht, welches das tägliche Leben beeinträchtigt und einen Leidensdruck entstehen lässt.

Zwei bis drei Prozent der Bevölkerung erkranken laut der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik im Laufe ihres Lebens an dieser Störung.
Erkrankte wissen um die Unsinnigkeit, wenn sie unzählige Male kontrollieren, ob die Tür abgeschlossen ist, sich bis zu 100 Mal am Tag die Hände waschen oder wenn sie – wie Hanka Rackwitz – versuchen, sich anzuziehen, ohne Kleidung und Schuhe mit den Füßen zu berühren, weil diese schmutzig und mit Keimen verseucht sind. Man fühlt sich sofort an die Serienfigur Adrian Monk erinnert.

Nicht die einzige Parallele. Wie bei Monk war auch bei Hanka Rackwitz ein Trauma der Auslöser ihrer Zwänge: In ihrem Fall die Krebserkrankung des Vaters und sein rasch darauffolgender Tod. Gespräche darüber gab es nicht, nur Schweigen. Und Angst. Erste Rituale entwickelte sie gemeinsam mit ihrer Schwester, es folgten eigene, von denen sie nicht mehr lassen konnte: Vor dem Einschlafen zählten sie alle lebenden Verwandte in einer festgelegten Reihenfolge auf, um sie somit vor dem Tode zu bewahren. Zu groß war die Gefahr des Unheils, die sie empfand.

Bald schon begann sie, auch einzelne Gegenstände in der Wohnung mit Ängsten zu verbinden. Beides verbarg sie erfolgreich vor ihrer Mutter. Nach einer zwangsstörungsfreien Zeit in ihren 20ern kehrte die Krankheit jedoch umso stärker zurück. Am Ende der Angstkette, die von Verunreinigungen durch Keimen über Unheil und Krankheit führt, steht immer der Tod. Ihrer oder der unschuldiger Personen, den sie selbst verursacht hat, zum Beispiel, indem sie vergessen hat, Elektrogeräte auszuschalten.

Rackwitz bezeichnet sich selbst als merkwürdig

In ihrem Buch “Ich tick’ nicht richtig” erzählt Hanka Rackwitz vom Unverständnis ihres Umfelds, von gescheiterten Beziehungen, Einsamkeit und ihren Versuchen, trotz immer stärkerer Zwänge ihr Leben zu bewältigen. Dabei zeichnen sich Muster ab. Ihre Partner waren nicht in der Lage, sich ihrem von Regeln und selbst aufgelegten Verboten streng strukturierten Leben anzupassen und sie selbst schreibt, sie würde das nur zu gut verstehen. Im Text schwankt sie zwischen Witz, Selbstironie und lockerer Erzählweise und bezeichnet sich auffallend oft selbst als verrückt oder merkwürdig – so oft, dass man bald aufhört, darüber zu lachen.

Zu sehen ist das Buchcover. Darauf Hanka Rackwitz in brauner Kleidung und grünen Gummistiefeln. In grüner Schrift daneben der Titel: "Ich tick nicht richtig"

Screenshot: mvg Verlag

Das Buch berichtet von verschiedenen Versuchen, mit der Erkrankung umzugehen und dem darauf folgenden Scheitern. Die Autorin teilt Erfahrungen mit verschiedensten Versuchen, ihre Störung zu überwunden. Sie probiert es zum Beispiel mit Antidepressiva, will sich zur Selbstbeherrschung zwingen und schreibt darüber, dass Atemübungen gut gemeint sind, aber leider nicht weiterhelfen. Sie gibt Erkrankten ebenso wie Angehörigen Tipps und Ratschläge, die vor allem auf Verständnis und Geduld mit Zwangsstörungen herauslaufen. Auch ihr Psychotherapeut kommt zu Wort und bereichert das Buch um die Einschätzung seiner Prognose.

In der Presse lag der Fokus nicht auf dem Buch, sondern auf der Autorin. „TV-Maklerin hat Angst vor Möbeln“ titelte die BILD effektheischend und die Welt spricht von ihrem „Markenzeichen“ und nennt Hanka Rackwitz „tapfer“, bemüht sich im Text aber um eine objektive Berichterstattung über die Zwangserkrankung.

Das Buch ist kein Meisterwerk im literarischen Sinne, aber eine geeignete Lektüre für Menschen, die noch keine Berührung mit dem Krankheitsbild hatten und nach einem niedrigschwelligen und authentischen Einstieg in das Thema suchen.

Titelbild: Screenshot RTL.de