Die Autorinnen Kathrin Fezer Schadt und Carolin Erhardt-Seidl haben ein Buch für Schwangere über pränatale Diagnostik (PND) geschrieben. Dabei beleuchten sie, welche Möglichkeiten es für werdende Eltern nach einer Diagnose gibt. Tanja Kollodzieyski mit einer Besprechung.
Die Journalistin und Autorin Kathrin Fezer Schadt und die Sternenkinder-Fotografin Carolin Erhardt-Seidl haben zusammen ein Buch zu einem heiklen Thema geschrieben: die Pränataldiagnostik. Der Ratgeber heißt „Weitertragen: Wege nach pränataler Diagnose“.
Das Buch besteht aus vielen kurzen Kapiteln, die sich jeweils mit einem Themenschwerpunkt beschäftigen. Natürlich werden die verschiedenen Methoden der Pränataldiagnostik ausführlich erklärt. Aber es geht nicht nur um die reinen Fakten: Ein Kapitel befasst sich zum Beispiel mit dem Moment, in dem die schwangeren Frauen die Diagnosen bekommen. Ein anderes thematisiert verschiedene Entscheidungsmöglichkeiten.
Aber auch danach begleitet das Buch die Leser*innen weiter, egal ob es dabei um eine Abtreibung oder um die weitere Schwangerschaft geht. Durch jedes Kapitel führt ein Informationstext der Autorinnen, in dem sie ihre eigenen Erfahrungen aber auch die Ergebnisse ihrer Recherchen präsentieren. Darüber hinaus finden sich in jedem Kapitel jeweils einzelne Aussagen aus den Gesprächen der Autorinnen mit betroffenen Eltern, Angehörigen und medizinischem Fachpersonal. Alle Zitate machen verschiedene Standpunkte, Erfahrungen oder Entscheidungen sichtbar. So soll das Buch Schwangere und ihre Familien dabei begleiten, wenn sie sich diese Frage stellen müssen: Wollen wir das Kind auch dann, wenn es wahrscheinlich nicht gesund wird?
Was bedeutet PND?
Die Medizin bietet heute viele Möglichkeiten, um werdenden Müttern einen Einblick in die Gesundheit ihres Kindes noch vor der Geburt zu geben.
Im Prinzip gehört jede Ultraschalluntersuchung in den Bereich der Pränataldiagnostik, denn auch sie dienen der Überprüfung der Entwicklung des Fötus. Zum Kernbereich der PND zählen allerdings auch die Nackentransparenzmessung, Bluttests oder die Untersuchung des Fruchtwassers.
Frauen, die zu einer Risikogruppe gehören, wird oft nahegelegt sich solchen Untersuchungen zu unterziehen. Bei Schwangeren ab 35 Jahren übernehmen viele Krankenkassen zum Beispiel die Kosten der Fruchtwasseruntersuchung. Ob die Krankenkassen die Kosten für andere Untersuchungen auch bezahlen, hängt vor allem davon ab, ob es einen Verdacht auf eine Krankheit oder Behinderung beim Fötus gibt. Aktuell läuft eine Diskussion darüber, ob Krankenkassen standardmäßig die Kosten für einen Bluttest tragen sollen. Der Test, der bereits ab der 9. Schwangerschaftswoche möglich ist, kann die Anzeichen drei verschiedener Arten von Trisomien feststellen. Darunter ist auch die Trisomie 21, die unter dem Namen „Down-Syndrom“ bekannt ist.
Hohe Abbruchquoten, aber keine Sicherheit
Der Fortschritt der Möglichkeiten im Entdecken von Krankheiten und Behinderungen bereits im Mutterleib bleibt nicht ohne Folgen. Eine davon ist, dass heute 9 von 10 Föten, bei denen Trisomie 21 vermutet wird, abgetrieben werden. Eine Sicherheit, ob tatsächlich eine Behinderung vorliegt, gibt es bei keiner Methode. Die Ärzte können nur mit Wahrscheinlichkeiten arbeiten.
Kathrin Fezer Schadt und Carolin Erhardt-Seidt wollen mit ihrem Buch Schwangere mit auffälligen Untersuchen auffangen und ihnen alle Möglichkeiten aufzeigen:
„Es werden im Buch alle möglichen Wege nach pränataler Diagnose miteingeschlossen: Austragen eines chronisch kranken oder behinderten Kindes, auch eines Kindes mit sehr kurzer Lebenserwartung (palliative Geburt), pränatale Therapien aber auch der Abbruch der Schwangerschaft. Nur wer über alle Möglichkeiten gut informiert ist, kann überhaupt kompetent entscheiden.“
Wichtige Faktoren: Zeit und Zusammenarbeit
Im Buch schildern betroffene Frauen oft, dass sie sich mit der Entscheidung alleine gelassen oder sogar unter Zeitdruck gefühlt haben. Dabei gibt es laut des Buches eher wenige Situationen, in denen eine Entscheidung sofort getroffen werden muss. Die Autorinnen wünschen sich, so sagen sie es im Interview, eine Beratung, die viele Fachleute mit einbindet:
„Wichtig wäre eine interdisziplinäre Zusammenarbeit der verschiedenen Professionen: Gynäkologe, Kinderarzt, ggf. Palliativteam, Hebamme, psychosoziale Beratung usw. – wie sie mancherorts auch schon hervorragend funktioniert. Allerdings gibt es keine einheitlichen Standards und die Qualität ist hier regional sehr unterschiedlich.“
Auch das deutsche Gesetz lässt den betroffenen Frauen mehr Zeit. Im Regelfall dürfen Ärzt*innen eine Abtreibung nur bis zur 12. Schwangerschaftswoche vornehmen. Vorher muss die Schwangere eine Bedenkzeit einhalten und ein Beratungsgespräch führen. Falls sich beim Fötus eine mögliche Krankheit oder Behinderung zeigt, gelten diese Regelungen nicht mehr. Dann darf sich die schwangere Frau bis zum neunten Monat für eine Abtreibung entscheiden. 2017 gab es laut dem Statistischen Bundesamt 654 Schwangerschaftsabbrüche, die in der 22. Schwangerschaftswoche oder später stattfanden.
Die Selbstbestimmung der Frau
Als Begründung für einen Spätabbruch dient nicht die Schwere der vermutlichen Behinderung oder Krankheit, sondern die Gefährdung der physischen oder psychischen Gesundheit der Frau. Die Autorinnen finden im Interview wichtig, dass die Frau in ihrer Selbstbestimmung bestärkt wird:
„Wir halten es für richtig, dass die Entscheidung für oder gegen eine Schwangerschaft allein in der Hand der Frau liegen sollte – in Absprache mit dem/der Partner*in. Die gesetzlichen Regelungen in Deutschland gewährleisten dieses Recht auf Selbstbestimmung.“
Die selbsternannten „Lebensschützer“ stellen dieses Recht auf Selbstbestimmung in Frage. Immer wieder greifen sie auf ihren Veranstaltungen und Demonstrationen, wie dem „Marsch für das Leben“, auch das Thema Behinderung auf. Sie argumentieren damit, dass auch ein Leben mit Behinderung lebenswert sei. Den „Lebensschützern“ geht es aber vor allem darum, Abtreibungen generell zu verbieten, weil sie jede Abtreibung mit dem Töten eines Menschen gleichsetzen.
Die Frage nach dem Leiden
Neben der Frage, welches Leben als lebenswert empfunden wird, fragen sich viele schwangere Frauen, wie sehr ihre Kinder unter der Behinderung leiden werden. Eine eindeutige Antwort gibt es darauf selten, wie Kathrin Fezer Schadt erklärt:
„An diese Diskussion schließen sich dann in der Regel die Dauerbrenner-Fragen nach dem Leid, dem Glück und Unglück eines Menschen an. Dieses ist aber abhängig von vielen Faktoren, eben nicht nur von einer Erkrankung und Behinderung. Noch viel wichtiger: niemand, wirklich niemand kann und sollte von außen beurteilen, ob ein Mensch in diesem Leben glücklich ist/sein wird oder nicht, ob er leidet/leiden wird, oder nicht. Und, ob er nicht dennoch dieses Leben gewählt hätte. An dieser Stelle muss aber auch betont werden, dass Pränataldiagnostik weder zum Allheilmittel stilisiert werden, noch verteufelt werden kann. Regelmäßig kann durch Pränataldiagnostik Schwangeren und ihren Ungeborenen auch geholfen werden.“
Es gibt durchaus Krankheiten oder Behinderungen wie zum Beispiel Spina Bifida, die Ärzt*innen noch im Mutterleib operieren können, natürlich nicht ohne Risiko. Aber auch dies macht die Pränataldiagnostik möglich.

Nur wer alle Informationen hat, kann entscheiden
Die rasche Entwicklung der letzten Jahre legt nahe, dass die Pränataldiagnostik in Zukunft noch bessere Untersuchungen und Therapiemöglichkeiten anbieten wird. Aufklärung und Information spielen dabei eine wichtige Rolle, damit die Pränataldiagnostik nicht nur als Werkzeug genutzt wird, um Föten mit Krankheiten oder Behinderungen auszusortieren.
Im Interview zeigt Kathrin Fezer Schadt anhand einer Studie auf, wie sehr sich Aufklärung auf die Entscheidung der Betroffenen auswirken kann:
„Eine klinikinterne Studie aus den USA zum Thema palliative Geburt („perinatal hospice“) hat gezeigt, dass Eltern bei infauster Prognose („nicht lebensfähig“) eine palliative Begleitung als Alternative zu einem Abbruch der Schwangerschaft als professionelles Konzept vorgestellt bekamen, sich dann auch eher dafür entscheiden konnten. In diesem Fall waren es sogar 85 Prozent der Familien. Als Vergleich dazu werden aktuell in Deutschland nahezu alle Schwangerschaften mit infauster Prognose abgebrochen. Das zeigt, dass in diesen Bereichen schlicht Aufklärung fehlt.“
Frühzeitige Aufklärung ist wichtig
Die Autorinnen verfolgen diese Aufklärung nicht nur mithilfe ihres Buches. Sie bieten mit einem Team auch Projekte für ältere Schüler*innen in Schulen an. Im Interview erklären sie, warum sie das wichtig finden:
„Nur durch vollständige und frühzeitige Aufklärung können Menschen kompetent und selbstbestimmt Entscheidungen treffen. In der Schule wird den Heranwachsenden ja auch erklärt, was Geschlechtsverkehr ist, wie Geschlechtskrankheiten übertragen und vermieden werden können, wie Kinder entstehen etc. In den gleichen Atemzug gehört für uns die Pränataldiagnostik, da diese nur noch schwer von Schwangerschaften zu trennen ist, die wiederum später einen Großteil der Schüler*innen betreffen werden.“
Auch der Kontakt zwischen Menschen mit und ohne Behinderung ist ein wichtiger Teil der Aufklärung. Kathrin Fezer Schadt und Carolin Erhardt-Seidl haben dabei immer wieder positive Erfahrungen gemacht:
„In der Regel erleben wir dann auch, wie durch diesen Kontakt ein Wandel geschieht. Die Erkenntnis: Das hier sind wir – du und ich – Menschen. Den Kontakt zwischen Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten halten wir also für unverzichtbar.“
Das Buch:
Kathrin Fezer Schadt und Carolin Erhadt-Seidl: „Weitertragen: Wege nach pränataler Diagnose“, erschienen im Verlag Edition Riedenburg.
Titelbild: Edition Riedenburg
Weitere Bilder: Dörte Grimm / Screenshots der Facebookseite.
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