„Einfach strukturiert, leicht verständlich, selbst erklärend – ich find das genial“. Wenn Georg Schmolz über die neue MDR Audio App spricht, gerät er sofort ins Schwärmen. Das ist auf den ersten Blick auch nicht weiter verwunderlich, schließlich ist Schmolz als Leiter Barrierefreiheit beim Mitteldeutschen Rundfunk für das Projekt Audio App verantwortlich. Doch je länger man sich mit Georg Schmolz unterhält, desto deutlicher wird, dass er wirklich hinter dem Konzept steht: „Das ist der MDR für die Tasche“.
Eine App für alle
Doch was ist das eigentlich für eine App, die der MDR im Mai als „Audio App“ diesen Jahres gelauncht hat? „Die Idee ist total simpel: Alle Audioangebote, die der MDR erstellt, zu bündeln und mobil inklusiv zugänglich zu machen“. Die Betonung liegt hierbei auf inklusiv. Denn der MDR preist seine App als die erste inklusive App Deutschlands an. Zumindest für den Bereich öffentlich-rechtlicher Rundfunk stimmt das auch. Viele Sender haben bereits Apps, die ihre Audioangebote zugänglich machen, diese sind aber für sehende Menschen konzipiert. Oder sie haben eine App speziell für blinde und sehbehinderte Menschen herausgebracht, wie der SWR mit dem RadioPlayer. Diese ist aber wiederum für sehende Menschen schwer zu benutzen.
Der MDR hat sich zum Ziel gesetzt mit der Audio App alle zu erreichen: sehbeeinträchtige, blinde und vollsehende Menschen. Dafür wurde die App möglichst einfach gehalten. Doch das gilt nur für das Design. Denn die Inhalte sind ebenso zahlreich wie vielfältig. Die App ist in mehrere Rubriken unterteilt, mit Bezeichnungen wie „Live“, „Audios“ oder „Service“: In der Live-Rubrik findet man die Livestreams zu allen Radiowellen des MDR, sowie zu den Webchannels; in der News-Rubrik gibt es Nachrichten, zugeschnitten auf das Bundesland in dem man sich befindet; beim Service erwarten einen Standort-bezogene Verkehrs- und Wetterinformationen. Das Interessanteste ist aber die Audios-Rubrik, in die neben einzelnen Rundfunkbeiträgen des Tages auch die Tonspuren mit Audiodeskriptionen aus dem TV-Programm vom MDR eingespielt werden. Der Nutzer kann also mobil Filme nachhören. „Das ist natürlich sehr nützlich für blinde Menschen“, sagt Jan Meuel vom Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV). Meuel arbeitet im Hörfilmprojekt des DBSV zum barrierefreien Zugang zu Audiodeskriptionen: „Gerade weil sie so übersichtlich aufgebaut ist.“
Entwicklung mit der Zielgruppe
Dass die App so aufgebaut ist, liegt auch an der Art, wie sie entwickelt wurde. Das Team von Georg Schmolz hat anfangs überlegt, die verschiedenen Sender in Kategorien einzuteilen und innerhalb der Rubriken nochmal Unter-Kategorien einzufügen. Doch diese Idee wurde abgelehnt – von den zukünftigen NutzernInnen selbst. Der MDR wollte nämlich von Anfang an auf die tatsächlichen Bedürfnisse der BenutzerInnen eingehen und hat deshalb schon früh im Entwicklungsprozess mit der Deutschen Zentralbücherei für Blinde (DZB) in Leipzig zusammengearbeitet. Dort haben TestnutzerInnen aus allen Zielgruppen – also blinde, sehbeeinträchtigte und vollsehende Menschen – die App getestet und fortlaufend Feedback gegeben. Zum Beispiel auch den Hinweis, dass eine Listenansicht für blinde Menschen einfacher zu durchsuchen ist als eine Reihe Unter-Rubriken.
Zum Abschluss der einmonatigen Testphase wurde zusätzlich ein großer Nutzer-Test in den Räumen der DZB durchgeführt. Alle Zielgruppen sollten hier noch einmal den eigenen Umgang mit der App prüfen und dazu Feedback geben, bekamen darüber hinaus aber auch komplexere Aufgaben gestellt, beispielsweise zur Navigation innerhalb der App. Damit wurde sichergestellt, dass die App für alle nutzbar und ansprechend ist. Besonders geholfen hat bei der Entwicklung, dass der Direktor der DZB, Prof. Dr. Thomas Kahlisch, selbst nicht nur blind ist, sondern auch Informatiker. So hatte man in ihm auch für die technischen Aspekte einen kompetenten Ansprechpartner.
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Inklusion nur für Apple-NutzerInnen?
Die MDR Audio App gibt es bisher nur für das Betriebssystem iOS, das auf Apple-Geräten läuft, nicht für Android oder Windows Phone. Das solch eine Einschränkung Kritik hervorruft, ist nicht verwunderlich bei einer App, die sich selbst als inklusiv bezeichnet. Auch Georg Schmolz ist sich dieses Defizits durchaus bewusst. Doch war es eine Sachentscheidung, denn für eine App für beide Betriebssysteme fehlten die Ressourcen. Auch haben Gespräche mit Blindenverbänden ergeben, dass ein Großteil der blinden und sehbeeinträchtigten Menschen iOS-Geräte nutzt, deshalb entschied man sich erst einmal für eine App für das iPhone. Denn Schmolz ist der Meinung, dass es bei solch einer Idee wichtiger ist, erst einmal anzufangen. Man habe schon so genug Überzeugungsarbeit innerhalb des MDR leisten müssen. Zudem mahlen die Mühlen der öffentlich-rechtlichen Sender langsam. Deshalb ist Schmolz auch hörbar stolz, dass man die App überhaupt in diesem Tempo entwickelt hat. Immerhin haben sie die App innerhalb von sechs Monaten entwickelt und auf den Markt gebracht.
Doch gerade an die öffentlich-rechtlichen Sender stellt Jan Meuel vom DBSV auch gewisse Ansprüche: „Es wäre natürlich super, wenn es eine App geben würde, über die man alle Angebote der ARD beziehen könnte. Doch momentan ist das alles sehr aufgespalten und gerade beim Thema Audiodeskription wäre es wichtig, die Information zu bündeln.“ Auch bei diesem Kritikpunkt verweist Schmolz wieder auf die Entscheidungswege in den öffentlich-rechtlichen Anstalten. Diplomatisch erklärt er: „In unterschiedlichen Häusern wird unterschiedlich gedacht, deshalb dauern die Entscheidungen auch immer so unglaublich lange.“ Auch wenn die ARD mit dem Slogan „Wir sind eins“ wirbt, besteht sie eben doch aus neun autonomen Landesrundfunkanstalten. Für Schmolz könne man darüber reden, ob und wie sich andere Anstalten an die App andocken können.
ÖPNV-Nachrichten statt Staumeldungen
Für die Zukunft hat Georg Schmolz sowieso genug Ideen: Gerade sucht er nach einer Möglichkeit, die Nachrichten aus dem öffentlichen Nahverkehr über die App zugänglich zu machen. Denn ein blinder Testnutzer machte ihn darauf aufmerksam, dass ihm die Meldung eines Staus auf der A9 nicht allzu viel bringen würde. Viel eher würde ihn interessieren, ob die Straßenbahnhaltestelle um die Ecke immer noch eine Baustelle ist oder ob er dort jetzt wieder einsteigen kann. Genug Arbeit gibt es also noch für Georg Schmolz und sein Team. Dass überhaupt so viele Ressourcen in die App gesteckt werden, sieht auch Jan Meuel positiv: „Grundsätzlich ist es ein Schritt in die richtige Richtung. Die App ist wirklich sehr gut inklusiv gedacht und in das bestehende Angebot integriert. So fällt das spezielle Angebot für Blinde eigentlich gar nicht auf. Die Idee ist ein gutes Vorbild für andere Sender.“
Titelbild: Quelle https://itunes.apple.com