In der Süddeutschen Zeitung wurden gestern mehrere kleinwüchsige SchauspielerInnen in einer Fotoserie dargestellt. Anlass war der Tod des Schauspielers Michu Meszaros, der jahrelang die Figur von „Alf“ in der gleichnamigen Serie verkörpert hatte. Was jedoch als Würdigung angekündigt wurde, entpuppte sich schnell als ein Text mit klischeebeladenen Diskriminierungen. Ein Shitstorm im Netz war die Folge. Hier ein Überblick über die Reaktionen.

Update I: Kleinwüchsige Menschen starten eine Aktion unter dem Hashtag #KeinZwerg.

Update II: Die Süddeutsche Zeitung reagiert in dem Artikel und bei Facebook.


Zunächst war es positiv überraschend, dass der SZ-Artikel „Dank den gigantischen Helden“ von Martin Zips zur Würdigung des kleinwüchsigen Schauspielers Michu Meszaros nicht nur ein Foto von „Alf“ zeigte, wie es viele deutsche Leitmedien gemacht hatten, sondern von dem Schauspieler selber. Natürlich ist „Alf“ bekannter als Meszaros, der neben seiner „Alf“-Rolle eher in Werbespots und Zirkusarenen auftrat. Dennoch sollte zumindest im Nachruf ein eigenes Foto gezeigt werden (wie v.a. in internationalen Medien). Fraglich nur, warum im SZ-Artikel darauf aufmerksam gemacht wird, dass sich hier Alf „links im Bild“ befände.

Die Überschrift war natürlich ein Griff in die übliche „klein, aber oho!“- Kiste, aber immer noch akzeptabel. Und die Einleitung „Das hier ist ein Lob auf die menschliche Verschiedenheit“ ließ eine objektive Berichterstattung erahnen. Doch spätestens als der Text kleinwüchsige Menschen in die Ecke von Märchen schob, war das klischeehafte Bild von kleinwüchsigen Menschen heraufbeschworen. Folgenden Text nahmen wir als Anlass, auf Twitter und Facebook darauf hinzuweisen:

Die Reaktionen über die Sozialen Netzwerke kamen schnell, sowohl von JournalistInnen als auch von Betroffenen, später auch unter dem Hashtag #KeinZwerg.

Doch was genau ist das Problem?

Vor allem, dass kleinwüchsige Menschen durch solche Beschreibungen nicht ernst genommen werden. Selbst wenn sie zitiert werden, wie sie sich selbst sehen, werden sie noch diskriminierend beschrieben – da hilft das Zitat von Meszaros im SZ-Artikel auch nichts: „Die Leute brauchen wirklich nicht glauben, bei mir im Kopf gehe es zu wie in einer Jahrmarktbude. Ich bin einfach nur ein bisschen kleiner.“

Liegt es daran, dass sich Herr Zips der SZ nicht vorstellen kann, dass auch kleinwüchsige Menschen diesen Artikel lesen, oder ist die Beschreibung als „Hobbits, Liliputaner, Schlümpfe und Zwerge“ für ihn tatsächlich unproblematisch? Und was denkt er sich bei einem Bezug zur aktuellen politischen Lage Deutschlands: „Wenn man sich heute politisch so umschaut, würde man auch am liebsten schrumpfen“?

Die Frage bleibt, wer ist dieses „man“, und wer sind „wir“, die kleinwüchsige Menschen so wahrnehmen? Journalistinnen und Journalisten tun gut daran, sich in die von ihnen porträtierten Personen einzudenken. Blogger Michel Arriens nimmt es vorweg:

Wir empfehlen daher Medienschaffenden ihre eigene Perspektive gegen die Perspektive der Betroffenen zu tauschen. Gerne können Sie uns zur Beratung heranziehen, wir geben Workshops für Redaktionen und freie JournalistInnen.

Übrigens: Der Bundesverband Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien (BKMF) wird eine Beschwerde beim Presserat einreichen. Und mittlerweile hat der Artikel-Autor Zips geantwortet, u.a. dass er sich und andere „aufs Korn nehme“ und „alle ein bisschen mehr lachen sollten“. Was aber, wenn kleinwüchsige Menschen dies überhaupt nicht komisch finden?

Mehr Reaktionen unter #KeinZwerg

Einen Leserbrief kann man übrigens über martin.zips@sueddeutsche.de, redaktion@sueddeutsche.de schreiben.

Update I:

 

  • Mittlerweile hat Blogger und Initiator vom Hashtag #KeinZwerg, Michel Arriens, für zett einen Artikel geschrieben aus seiner Perspektive als kleinwüchsiger Mann und dazu eine historische Einordnung gegeben.
  • Auch Raúl Krauthausen gab zett ein Live-Interview.
  • Und Comedian Martin Fromme meldet sich zu Wort und dreht den Spieß um, so dass jetzt „Seitenscheitelträger“ diskriminiert werden.
  • Ninia LaGrande verfasste mehrere Artikel zur Aktion #KeinZwerg: auf ihrem Blog, beim Vice Magazin
  • Michel Arriens und Ninia LaGrande waren im Artikel der BILD
  • Andrea Schöne schrieb ihre Sicht bei FirstLife
  • Markus Flum schrieb seine Sicht auf seinem Blog

Update II:

 


Nach drei Tagen hat die Süddeutsche Zeitung vor dem Artikel und auf Facebook reagiert:

  • Nach der Entschuldigung der Süddeutschen Zeitung greift der Stern die Diskussion auf
  • Auch Fritz vom Rbb (Sendung Trackback) berichtet über die Diskussion
  • Bento hat nun die Diskussion mit Einblicken in Perspektive von beteiligten kleinwüchsigen Leuten aufgegriffen
  • Die Diskussion schwappte auch rüber in die Schweiz, wo der SRF berichtete

Titelbild: Screenshot Sueddeutsche.de