Wie können mehr Menschen in den Genuss von Kunst kommen? Projekte zur barrierefreien Umsetzung einer Ausstellung werden immer zahlreicher und reichen von rollstuhlgerechten Zugängen bis zu Bildbeschreibungen im Hightechformat. Karin Chladek gibt einen Einblick in aktuelle Projekte von Barrierefreiheit in der Museenlandschaft Deutschlands und Österreichs.

Anfassbare Skulpturen und Bildbeschreibungen durch neue Technologien, Hörstationen mit Sprecherstimmen, die die Entstehungsgeschichte eines Kunstwerks erklären, Beschreibungen in Leichter Sprache, die das Gezeigte für alle Gäste leicht erfassbar machen – mehr Barrierefreiheit und Inklusion in Museen und Ausstellungen ist durch vielfältige Ansätze erreichbar. Was Manchen banal erscheinen mag, macht anderen Menschen den Kunst- und Kulturgenuss erst möglich. So sind leicht zu öffnende Türen genauso wichtig wie Brailleschrift und Aufzüge.

Doch oft steht dem Willen zur barrierefreien Umsetzung einer Ausstellung der Kostenfaktor gegenüber, wie Sabine Fauland vom Museumsbund Österreich erklärt: „Mehr als 800 Museen gibt es in Österreich. Die große Mehrheit wird ehrenamtlich betrieben. Für diese Museen ist es nicht leicht, barrierefreie Angebote zu organisieren, doch sie bemühen sich.“ Weiterbildung für MuseumsmitarbeiterInnen in Sachen Barrierefreiheit und Inklusion gäbe es aber regelmäßig und wie auch der Museumsbund in Deutschland orientiere man sich an der hilfreichen Broschüre „Das inklusive Museum.“

Unterschiedliche Hürden: Gebäude und Kommunikation

eine leicht zu öffnende automatische Tür vor dem Universalmuseum Joanneum / Österreich

Quelle: Universalmuseum Joanneum / N. Lackner

Oft ergeben sich beim Museumsbesuch tatsächlich Hürden, die auch Menschen ohne Behinderungen stören, wie verwirrende Titel, fehlende Sitzgelegenheiten, langes Anstehen oder häufige Störungen durch zu viele Gruppenführungen. Auf der österreichischen Internetseite „Museumspraxis.at“ findet man viele verschiedene Hindernisse eines Ausstellungsbesuchs und im Rahmen der von Julia Starke gestalteten Fotostrecken erzählen dort ganz unterschiedliche Menschen, was sie persönlich an einem Museumsbesuch (be)hindert.

Für weniger Barrieren in der Vermittlung wird es im Museums- und Ausstellungsbereich beispielsweise immer üblicher mit Leichter Sprache zu arbeiten. Diese ist nicht nur hilfreich für Menschen mit Lernschwierigkeiten, sondern auch für TouristInnen, die die Sprache erst lernen, für Kinder und Jugendliche und generell für alle BesucherInnen, die sich schnell und mühelos informieren möchten.

Neue Perspektiven für Museen in Berlin und Brandenburg

In Berlin erzählt Imke Baumann von der Kulturinitiative Förderband e.V. von ihrem neuen Projekt „Neue Perspektiven“: „Wir beschäftigen uns mit Behinderungen des Sehens, des Hörens und der Kognition“. Das Projekt startete im April 2015 und bietet barrierefreie Angebote so bekannter Einrichtungen wie dem Deutsch Historischen Museum, dem Museum für Verkehr und Technik oder der Berlinischen Galerie an. Entscheidend ist, dass bei Workshops für Museumspersonal und interessierte BesucherInnen Menschen mit und ohne Beeinträchtigung gleichermaßen als TeilnehmerInnen, ReferentInnen und ModeratorInnen vertreten sind. „Insbesondere ist uns wichtig, dass Menschen mit Behinderung als Experten in eigener Sache auftreten und den Museumsmachern ihre Welt und Wahrnehmung nahebringen“, betont Baumann.

Die seit 1989 bestehende Kulturinitiative Förderband hat viel Erfahrung in der Vermittlung von barrierefreien Informationen, auch abseits von Museen. Zu nennen sind etwa die Projekte „DAISY“ – eine CD mit taktilen Karten für blinde Berlin-BesucherInnen – und „Berlin für Blinde“ – ein akustischer Reiseführer für blinde und sehbehinderte Menschen, das mit Unterstützung der Stiftung Aktion Mensch entwickelt wurde. Die Weiterentwicklung zum Reiseportal „Berlin für Blinde“ ist Preisträger des bundesweiten Wettbewerbs Ausgezeichneter Ort im Land der Ideen 2013/14.

Gemälde neu erleben im Kunsthistorischen Museum Wien

Auch im Kunsthistorischen Museum in Wien setzt man sich speziell mit Angeboten für BesucherInnen mit Sehbehinderungen auseinander. Diese können Gemälde ganz neu erleben, erfährt man bei der Kunstvermittlung des Kunsthistorischen Museums: „Bisher war das Erleben von Bildinhalten nur durch intensiven Dialog mit einer Begleitperson möglich. Dank spezieller Technologien können Bilder nun in zu ertastende Reliefs umgesetzt werden. Dadurch kann der Besucher die Grundformen, aus denen eine gemalte Komposition besteht, selbständig und direkt erfassen.“ Zusätzlich werden auch eine Broschüre in Brailleschrift mit blindengerechter Bildbeschreibung und weiterführenden Informationen über das jeweilige Werk angeboten sowie „zum Gemälde passende Gegenstände für weitere taktile Erfahrungen“.

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Quelle: Universalmuseum Joanneum / N. Lackner

Bewusstsein für das Bedürfnis nach Kultur

Besonders weit in der Umsetzung von Barrierefreiheit, aber auch bei der „Barrierefreiheit im Kopf“, ist man im Universalmuseum Joanneum mit seinen Standorten in Graz und im österreichischen Bundesland Steiermark. Eva Ofner ist dort verantwortlich für Barrierefreiheit und ihr ist es wichtig, die Dinge beim Namen zu nennen. Eine Verallgemeinerung des Begriffs „Behinderung“ lehnt sie ab. „Ich mag aber auch den Begriff „Menschen mit besonderen Bedürfnissen“ nicht. Was soll das denn sein? Menschen mit Behinderungen haben die gleichen Bedürfnisse wie alle anderen auch, Wärme, Wohnen, Essen – und auch das Bedürfnis nach Kultur“. Das Universalmuseum Joanneum hat umfangreiche Maßnahmen zur Barrierefreiheit an den einzelnen Standorten unternommen, wo teilweise auch Rollstühle für die Dauer des Besuchs kostenlos verliehen werden.

Kritik an barrierefreier Kunstvermittlung

Dass Kunst zugänglicher wird, und nicht nur Kunst, schließlich gibt es auch Museen und Ausstellungen, die sich mit Natur und Kultur im breiteren Sinn befassen, gefällt nicht allen: So schreibt Wolfgang Ullrich in der ZEIT (August 2014): „Mochte das Vermitteln von Kunst in den Jahren nach 1968 aus einem Geist der Emanzipation und Freiheit heraus entstanden sein, so ist daraus ein Imperativ geworden, dessen problematische Folgen erst allmählich sichtbar werden. (…) Das Unbehagen, das eine schwierige, schroffe und rätselhafte Kunst auslöst, wird abgebaut, indem man all diese Eigenschaften durch Aktionismus überspielt und so tut, als sei Kunst letztlich doch ganz einfach und verlange keine Zugangsvoraussetzungen.“

Hier zeigt sich wieder einmal ein recht elitäres Verständnis von Kunst, das am liebsten weite Teile der Bevölkerung ausschließen möchte. Zum Glück gibt es gerade im Museums- und Ausstellungsbereich schon viele gute Projekte, die von einem Umdenken zeugen.

Titelbild: Screenshot www.khm.at