Blindenverbände und der Bauklötzchenhersteller LEGO starten gemeinsam ein Projekt: Legosteine mit Punktschrift darauf. Wir haben Juli (10) und ihre Mutter Ellen Schweizer gefragt, ob sie das Projekt sinnvoll finden.

Leidmedien.de: Juli, wie findest du die Idee, mit Hilfe von Legos die Punktschrift zu erlernen?

Juli: Das ist Blödsinn. Es ist so, als ob ein sehendes Kind auf dem Spielplatz, um zu lesen, ein überdimensionales U ablaufen würde und erst bei der Biegung des Us merken würde, dass es sich um einen Buchstaben handelt.

Leidmedien.de: Die Idee wurde mit blinden Menschen und Selbstvertretungen zusammen entwickelt, also recht inklusiv. Warum ist es trotzdem der falsche Ansatz?

Juli: Ich kenne ja die herkömmlichen Legosteine. Die Nippel sind sehr groß, wenn man sie zur Punktschrift formen würde. Die blinde Person müsste erstmal mit dem Finger über jeden Punkt gehen und raten, was es für ein Buchstabe sein soll. Für ein Wort bräuchte man also zwei Minuten. Ein Buchstabe der Punktschrift passt aber eigentlich genau unter den Finger. Sonst kann man es nicht gut lesen, also auch nicht gut lernen.

Ellen Schweizer: Es ist eine gute Sache, um Bewusstsein bei sehenden Kindern zu schaffen und ihnen das visuelle Braillelesen mit Hilfe eines Spiels zu erklären. Das Lego-Set müsste in jeder Kita verfügbar sein, dann wäre es ein inklusives Spielzeug, mehr aber auch nicht.

Leidmedien.de: Wenn es blinden Kindern nichts nutzt, warum wird es trotzdem gemacht?

Ellen Schweizer: Viele Erwachsene haben die Punktschrift teilweise noch mit den sechs Fächern eines Eierkartons gelernt. Viele blinde Menschen sind auch ohne Bücher aufgewachsen, weil es nicht so viele gibt. In der Idee der Bausteine steckt also wahrscheinlich eine Art Nostalgie, weil man sie statt der Eierkarton viel lieber gehabt hätte.

Unsere gemeinnützige Organisation Anderes Sehen bringt taktile Kinderbücher heraus, um blinden Kindern frühzeitig das Lesen beizubringen. Dieses Jahr erscheinen zwei weitere taktil illustrierte inklusive Kinderbücher.

Leidmedien.de: Welches barrierefreie Spielzeug würdet ihr euch für euer Familienleben wünschen?

Ellen Schweizer: Wir würden uns mehr inklusive Gesellschaftsspiele wünschen. Dann müssten wir nicht mehr so viele Spiele umbauen. Bei Texten machen wir die Punktschrift drauf, glatte Würfel ersetzen wir durch taktile Würfel, Farben durch tastbare Materialien. Dabei könnte vieles bereits in der Produktion berücksichtigt werden: Lacke und Oberflächen mit unterschiedlicher Haptik würden sich sehr gut dafür eignen, das würde uns Geld und Zeit sparen.

Leidmedien.de: Juli, welche Dinge würdest du dir anstatt der Legosteine barrierefrei wünschen?

Juli: Ich wünsche mir einen Stift, bei dem ich gleich fühlen kann, was ich male und nicht erst 6 Stunden warten muss, bis es trocknet. Außerdem mehr Ausmalbücher mit Lack, damit man die Felder erfühlen kann.

Ich habe eines mit Prinzessinnen. Ich interessiere mich aber gar nicht für Prinzessinnen. Trotzdem kann ich nur das eine nehmen, weil es keine anderen gibt. Ich würde mir welche mit Hunderassen oder Wölfen wünschen. Oder zur Weihnachtszeit eines mit Weihnachtsmotiven oder eines zum Thema Essen.

Titelbild: LEGO