Der stellvertretende Chefredakteur von Spiegel Online, Florian Harms, schrieb auf Twitter:
Erschreckend,wie manche Medien jedes Detail des Suizids von #RobinWilliams rausschreien. @SPIEGELONLINE tut das nicht http://t.co/EgQxUMVOEq
— Florian Harms (@FAHarms) 13. August 2014
Auch Twitterer „Windy City Madman“ wünschte sich, dass nun in den Medien neu für das Thema Depression sensibilisiert würde:
Andreas #Biermann ist aus den Medien ganz schnell wieder verschwunden. Hoffentlich wird das Thema #Depression nun wieder neu sensibilisiert. — Windy City Madman (@KhakiKorea) 12. August 2014
Es war zu erwarten, dass im Netz über die Social Media Kanäle viel hin- und hergeschickt würde, wenn Freunde und Fans von Robin Williams sich von ihm verabschiedeten. Einer der viral erfolgreichsten Tweets (über 270.000 Mal geteilt) war der Tweet „Genie, you’re free“ der Academy of Motion Picture Arts and Sciences:
Genie, you’re free. pic.twitter.com/WjA9QuuldD — The Academy (@TheAcademy) 12. August 2014
„Robin Williams Is NOT Free“ – Verantwortung Social Media
Laut Washinton Post kritisierte die American Foundation for Suicide Prevention die Botschaft dieses Tweets: „The starry sky from Disney’s Aladdin, and the written implication that suicide is somehow a liberating option, presents suicide in too celebratory a light, Moutier said.“
Auch Bloggerin Phoebe Gavin vom US-amerikanischen Blog Upworthy.com nahm in einem YouTube-Video Stellung zu diesem Tweet und forderte die Medien auf, mehr Verantwortung in der Berichterstattung über Suizid zu übernehmen. Denn Suizid sei keine Freiheit, wie der Tweet suggerierte, sondern eine verpasste zweite Chance.
Zu vermeiden: Details und Idealisierung von Suizid
Wie also angemessen über Suizid berichten? Phoebe Gavin zitiert die „Centers for Disease Control and Prevention“, die herausstellten, welche Fehler in der Art der Berichterstattung über Suizid die Nachahmerquote steigen lässt. Im Abgleich mit den Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Suizidprävention – Hilfe in Lebenskrisen e.V. (DGS) lassen sich daraus folgende Punkte in den Medien vermeiden:
- Ausführlich und wiederholend das Thema Suizid in den TOP-Nachrichten zu platzieren
- Das Thema Suizid als spektakulär hervorzuheben (z.B. Abschiedsbriefe zu veröffentlichen)
- Zu vereinfachende Erklärungen für Suizid zu präsentieren (es als nachvollziehbare und unausweichliche Reaktion darzustellen, z.B. „für ihn gab es keinen Ausweg“)
- Suizid als ein Mittel zu präsentieren, um ein Ziel zu erreichen, und es sogar idealisierend oder romantisierend darzustellen (z.B. „Im Tod mit seiner Liebsten vereint“) und den Suizid oder die Person, die Suizid beging, zu glorifizieren
- Methoden von Suizid und den Ort detailliert zu erklären oder abzubilden (z.B. ein bestimmtes Hochhaus oder Brücke) oder Orte zu erwähnen, an denen Suizide gehäuft vorkommen
Tipps zur Berichterstattung, um Nachahmerquote zu verringern
Die DGS merkt stattdessen an, dass die Nachahmung von Suizid verhindert werden könne, wenn über folgende Punkte berichtet würde:
- Hintergründe der Suizidgefährdung und Möglichkeiten der Hilfe
- Warnsignale und Risikofaktoren und über konkrete überregionale und regionale Hilfsangebote
- Einfühlsames Eingehen auf die Angehörigen und ihre Trauer
Bei DRadio Wissen wurden die konkreten Empfehlungen der DGS zum vermuteten Suizid von Robin Williams in der Sendung „Was mit Medien“ zum Thema „Der Tod von Robin Williams. Wenn ein Suizid Schlagzeilen macht“ kommentiert.
Redaktionen: Zurückhaltung und Notrufnummern
Einige Medien veröffentlichen bereits unter Artikeln über Suizid Telefonnummern, die Menschen, die suizidgefährdet sind, anrufen können. Die eigene Haltung zur Berichterstattung über Suizid machte die Süddeutsche Zeitung bereits in den Anmerkungen der Redaktion öffentlich:
Wir haben uns entschieden, in der Regel nicht über Selbsttötungen zu berichten, außer sie erfahren durch die Umstände besondere Aufmerksamkeit. Der Grund für unsere Zurückhaltung ist die hohe Nachahmerquote nach jeder Berichterstattung über Suizide. Wenn Sie sich selbst betroffen fühlen, kontaktieren Sie bitte umgehend die Telefonseelsorge.Unter der kostenlosen Hotline 0800-1110111 oder 0800-1110222 erhalten Sie Hilfe von Beratern, die schon in vielen Fällen Auswege aus schwierigen Situationen aufzeigen konnten
Bleibt offen, ob sich in Zukunft etwas in der Berichterstattung über Suizid und Depressionen ändern wird, oder ob immer nur berichtet wird, wenn ein aktueller Suizid passiert ist, wie es Wolfgang Prosinger im Tagesspiegel formulierte:
Jetzt, wo öffentlich wurde, dass Robin Williams seit einiger Zeit an Parkinson im Frühstadium erkrankt war, stellen sich auch schon weitere Fragen, wie die Journalistin Christiane Link auf Twitter:
Severe media weather warning: I predict a flood of disablist articles about Parkinson’s in the next 24 hours.
— Christiane Link (@Christiane) 14. August 2014
Vielleicht kann also eine neue Berichterstattung das Bild in den Medien bestärken, dass auch mit Parkinson ein aktives Leben möglich ist (siehe Michael J. Fox und Muhammad Ali).
Weitere Links zum Thema „Medien über Depression und Suizid“
- „Nur wer einen Verstand besitzt, kann ihn auch verlieren“ – Leidmedien.de
- „Schizophrenie, Depression, Suizid – Tipps für Medien“ – Leidmedien.de
- „Das Leid in den Medien“ – detektor.fm
- „Die Medien und die Depression“ – Deutschlandfunk
- „Am nächsten Tag bist du ein Niemand“ – Süddeutsche Zeitung
- „Media Guidelines for the reporting of suicide“ – Samaritans.org
- „Reporting Suicide and Self Harm“ – time-to-change.org.uk
Titelbild: Screenshot DradioWissen