„Küssen bringt das Herz durcheinander“ sagt Marie. Das Buch „Olga und Marie“ von Andrea Lauer erzählt einfühlsam und humorvoll die Geschichte von zwei behinderten Frauen, die sich lieben. Ihre Beziehung ist jedoch nicht einfach, nicht zuletzt, weil die Eltern sie als Frauen mit Lernschwierigkeiten beschützen wollen. Der Text ist in Einfacher Sprache verfasst, damit Menschen mit Lernschwierigkeiten die Geschichte lesen können. Judyta Smykowski mit einer Rezension – in schwerer Sprache und in Leichter Sprache.
Eine Geschichte, aufgeschrieben für Menschen mit einer Lernbehinderung. Inhaltlich geht es nicht etwa darum, etwas zu lernen, sich zu behaupten. Dies ist nicht einfach eine umgeschriebene Geschichte für Kinder. Es ist ein Buch für erwachsene Menschen.
Es geht um die beiden jungen Frauen Olga und Marie. Beide gehen ihren Jobs nach, die eine in einer Werkstatt, wo auch andere Menschen mit Behinderung arbeiten, die andere in einem Hotel. Es geht aber vor allem um Freiheit und Liebe. Und das Verlangen, selbst über das Leben zu bestimmen. Sogar die Katze des Nachbarn hat viel Freiheit beim Herumstreunen. Diese möchte Marie ebenfalls. „Küssen bringt das Herz durcheinander“, sagt Marie. Marie ist nämlich in Olga verliebt. Beide wollen zusammen leben. Ihre Eltern, die das entscheiden dürfen, sind dagegen. Die beiden Protagonisten wollen es trotzdem schaffen.
Autorin Andrea Lauer wollte erstmal keine Geschichte in Leichter Sprache verfassen. Zu streng seien die Vorgaben gewesen, sie hatte Bedenken, dass ihre Kreativität eingeengt sein würde. Und sie dachte, dass „Literatur irgendwie unverstanden sein muss“. Aber als sie mit einem Auszug der Geschichte einen Wettbewerb für Leichte Sprache gewann, wollte sie das Buch schreiben.
Die Ro
lle der Testleser
Eine wichtige Zwischenstation des Schaffensprozesses sind für Lauer die TestleserInnen. Im Fall von „Olga und Marie“ sind das TestleserInnen mit Lernschwierigkeiten. „Ich musste herausfinden, wie nah ich den Träumen meiner Protagonisten gekommen bin und wie glaubwürdig mein Text ist. An den Diskussionen während und nach dem Lesen, habe ich gemerkt, wie nah ich dem gekommen bin, wie wichtig Liebe und selbstbestimmtes Leben für Menschen mit Lernschwierigkeiten sind.“
Beim Testlesen waren SozialarbeiterInnen anwesend, das fand Lauer schwierig. Wie authentisch konnte so das Feedback z.B. bei den Sexszenen sein? „Leider ist es mir nicht gelungen Testleser mit Lernbehinderungen quasi einzeln zu erreichen. Das liegt nicht an ihnen, sondern an dem Kontext, in dem sie leben (müssen).“ Trotzdem war das Feedback durchweg positiv.
Die Edition „naundob“
Autorin Andrea Lauer bedauert, dass es kaum Verlage gibt, die Leichte Sprache verlegen. „Die Edition naundob wurde gegründet, weil es dringend an Literatur in Einfacher / Leichter Sprache fehlt, die in der Lebenswirklichkeit der Zielgruppen stattfindet“, sagt sie.
Sie glaubt, dass es an dem Vorurteil liege, dass z.B. Menschen mit Lernschwierigkeiten kein Interesse am Lesen haben, oder dass Analphabeten als Erwachsene eh nicht mehr lesen lernen würden. Aber sie stellt klar: „An den Lesern liegt es nicht, die sind offensichtlich hungrig nach der Möglichkeit Bücher selbst lesen zu können.“
Die Dimensionen der Leichten Sprache
Denn die Leichte Sprache kann auch noch andere Lesergruppen erreichen: Menschen, die Deutsch lernen wollen; Ältere Menschen, die Konzentrationsschwierigkeiten haben; Analphabeten, die es noch einmal mit dem Lesen probieren wollen.
Für den Durchschnittsleser ist es eine gute Erfahrung. Das Schriftbild ist ein anderes. Es gibt eine große Schrift, kurze Sätze, viele Absätze. Wie eine Fibel, die allerdings nicht für Kinder geschrieben wurde. Die Autorin und ihre Geschichte nehmen die LeserInnen ernst, es ist ein hohes Maß an Authentizität vorhanden. Selbst die Danksagung ist in Leichter Sprache verfasst.
„Olga und Marie“
Edition naundob
Mit einem Vorwort von Raúl Krauthausen
100 Seiten
12,50 Euro