Am 07. September 2016 starten die Paralympics in Rio, Brasilien. Wir sind auch live vor Ort: Andi Weiland macht Fotos für unsere Fotodatenbank Gesellschaftsbilder und Judyta Smykowski Social Media für die Paralympics Zeitung. Hier wollen wir Beiträge sammeln, die wir besonders gelungen oder diskussionswürdig finden. Außerdem gibt’s praktische Tipps für die Berichterstattung über die Paralympics…

Thema I:   Blick auf Behinderung in den Medien

Thema II:  Unsichtbare Themen der Paralympics

Thema III: Übersicht der Medien-Angebote zu den Paralympics

Thema IV: Ereignisse, Stars, Sportarten, Zahlen der Paralympics


I. Blick auf Behinderung in den Medien

Der Spot zu den Paralympics 2016 mit dem Slogan „Yes, we can“ ließ erneut das Image der „Superhumans“ der vorherigen Paralympics-Spots aufleben. Er kam in der Community aber gut an, nicht zuletzt wegen seiner modernen Produktion und der kreativen Umsetzung der Gebärdensprachversion.

The Guardian hebt hervor, wie zukunftsweisend die Berichterstattung von Channel 4 schon zu den Paralympics 2012 in London war…

The focus was not on the athletes’ disabilities, but their abilities; instead of poring over their back stories, it celebrated their extraordinary prowess. The broadcaster’s new trailer is another beautifully produced, attitude-shifting work, this time including people in daily life as well as the sporting arena, set to the song Yes I Can.

…formuliert jedoch auch, wie das „Superhero“-Image eigentlich nicht zu Inklusion beitrage:

Research by the English Federation of Disability Sport shows understandable discomfort with words such as “superhero”. Positive stereotypes are still stereotypes; they can make others less accepting of impairments. Real progress will come when those with disabilities are seen neither as second-class citizens nor as superhuman symbols of virtue – with bodies that are “either an object of pity or valorized as ‘super’ in order to be acceptable”, in the words of one commentator – but as fellow humans – who, like everybody else, should get support when they need it.

Ebenso sei das englische Wort „inspirational“ problematisch:

Channel 4 kümmerte sich währenddessen schon um weitere Aufmerksamkeit: Auf der Paralympics-Eröffnung werden Werbespots der Schokoladenmarke Malteser (Mars Chocolate U.K.) von der Kreativagentur AMV BBDO laufen. Sie erzählen Geschichten aus dem Alltag behinderter Menschen, etwa als rollstuhlfahrende Frau einer Frau auf einer Hochzeit über den Fuß zu fahren oder wenn das Hörgerät vom Hund gefressen wird:

Cat Collins, strategy partner at AMV BBDO, explained in a statement: „(…) It meant using a powerful weapon to break down discomfort, division and prejudice — a good laugh.“ Jonathan Allan, sales director at Channel 4, added: „We hope that (…) alongside our latest Paralympics ad, encourage more brands and agencies to approach and cast their campaigns in new ways to make richly diverse ads the norm rather than the exception.“

Wie die brasilianische Medien sich auf die Berichterstattung einstellen, skizziert Georg Ismar der Südwestpresse:

In Rio de Janeiro wird alles Mögliche versucht, um den Menschen quasi im Vorbeigehen die Sportarten zu erklären. Auf elektronischen Werbetafeln werden zum Beispiel in kurzen Clips die Regeln im Rollstuhl-Basketball erläutert. Der frühere Fußballstar Ronaldinho hat den Song „Ich bin Teil der Welt, ein Gewinner“ als Hommage an die Sportler mit Behinderung aufgenommen, der im Internet ein Renner ist. (…) Und, sicher eine wichtige Debatte: Mit Leuten im Rollstuhl am Strand fragen Zeitungen, wie die Infrastruktur für Menschen mit Behinderung in Rio verbessert werden kann

Für die Presse in Deutschland gibt Friedhard Teuffel im Tagesspiegel Tipps:

Die Wahrnehmung der Paralympics sollte doch ein paar Stufen hochgeklettert sein. Am Anfang war der Mangel. Paralympische Athleten sind die, denen etwas fehlt. Arme, Beine, Sehvermögen, Bewegungsfähigkeit. Das vorherrschende Gefühl war Mitleid. Sie haben es so schwer mit ihrem Schicksal! Dann kam Stufe zwei, die naive Bewunderung. Toll, was die alles können! Auch das konnte nur ein Zwischenschritt sein. Stufe drei ist nun geprägt von Respekt und Realismus gleichermaßen. Die Behinderung steht nicht mehr zum Bestaunen oder Begaffen im Zentrum. Sie gehört zur Biografie, aber jetzt ist es Zeit für Sport.

Damit Ausrutscher in der Berichterstattung zu den Paralympics nicht zur Regel werden, etwa eine Werbekampagne mit nicht behinderten Models, oder ein Interview mit Fokus auf Schmerzen und Mitleid, haben wir eine Broschüre mit Medien-Tipps für Journalist*innen, die sich fortbilden möchten

Medientipps für Sport-Journalismus

Fotos zur redaktionellen Nutzung wird es fortlaufend über unsere FotodatenbankGesellschaftsbilder.de“ geben.

II. Unsichtbare Themen der Paralympics

Die Berichterstattung über die Paralympics nimmt an Quantität stetig zu, wie auch Ottmar Miles-Paul der Kobinet Nachrichten feststellt. Jedoch werden gesellschaftlich und medial weiterhin manche Themen ausgeklammert, etwa der Stand der Inklusion oder Barrierefreiheit im eigenen Land, sei es Brasilien als Austragungsort oder Großbritannien als Sitz von Channel 4.

Der Journalist Ronny Blaschke diskutiert bei Deutschlandradio Kultur, wie nachhaltig die Paralympics für Brasilien sind:

Der Staat gehörte zu den ersten Unterzeichnern der UN-Behindertenrechtskonvention. Seine Gesetze sind fortschrittlich: für Barrierefreiheit oder für Quoten auf dem Arbeitsmarkt. Doch für behinderte Menschen in den Favelas sind Bildung, Medizin oder Rollstühle fast unerreichbar. In einer Studie gaben achtzig Prozent der Menschen mit Behinderung an, dass sie sich nicht respektiert fühlen.

Was die Paralympics finanziell für Brasilien bedeuten, wird von Boris Herrmann in der Süddeutschen erwähnt:

Dem Verdacht, dass ausgerechnet die Behinderten-Spiele wie ein Event zweiter Klasse behandelt werden, wollte und konnte sich der neue Präsident Temer nicht aussetzen. Nun muss wieder einmal die öffentliche Hand retten, was zu retten ist. (…) Das ist hochumstritten in einem Land, in dem die öffentlichen Schulen und Krankenhäuser pleite sind und die Beamten und Rentner zum Teil monatelang auf ihr Geld warten.

Bei der taz sorgt sich Andreas Behn, dass die Spiele wegen der politischen Unruhen weniger Aufmerksamkeit erlangen:

Die Paralympischen Spiele kommen für Brasilien zu einem ungelegenen Zeitpunkt. Noch herrscht Katerstimmung nach den Olympischen Spielen, die ohne größere Pannen doch halbwegs erfolgreich über die Bühne gebracht wurden. Gleich darauf spitzte sich vergangene Woche mit der höchst umstrittenen Absetzung von Präsidentin Dilma Rousseff die brasilianischen Staatskrise zu. Während ihr ebenfalls extrem unbeliebter Nachfolger Michel Temer nach China zum G-20-Gipfel enteilte, protestieren Tausende landesweit täglich gegen den Putsch. Andere klagen über die politische Spaltung des größten Landes Lateinamerikas. So sind es nur wenige Brasilianer, die das größte Event im Behindertensport im Blick haben.

Beispiele für die schlechte Vorbereitung nennt Philipp Lichterbeck im Tagesspiegel:

Am Mittwoch werden hier die Paralympischen Spiele beginnen. Aber schon kurz nach ihrer Ankunft stellten die Sportler fest, dass ihre Quartiere nicht bezugsfertig waren. Die Apartments waren so dreckig, dass man selbst zu Feudel und Besen greifen musste, berichten Mitglieder der Delegationen. Und für den Transport der Sportler hatten die Organisatoren der Paralympics auch nicht gesorgt. Die Iren mieteten Autos samt Chauffeuren. Ein Echo auf diesen kleinen Skandal gab es weder in den brasilianischen noch in internationalen Medien.

The Guardian kritisiert auch, dass Menschen mit Behinderung in Großbritannien immer noch benachteiligt werden:

Before Britain pats itself on the back too quickly, it should acknowledge problems closer to home. Disabled people are still treated as second-class citizens, as the equalities watchdog noted recently, are targeted in hate crimes, and have been hit perhaps hardest by the age of austerity, with a direct impact on Paralympians: one hopeful pulled out of trials because of cuts to disability support; another has lost her car. The campaign Disabled People Against Cuts is launching a Rights Not Games week of action, pointing out that people are losing not just access to sport and recreation, but to education, income and independent living.

Welche Unterschiede es immer noch zwischen den Paralympischen und den Olympischen Spielen gibt, wie unterschiedliche Finanzierung und Wertschätzung, diskutiert der Journalist Andreas Evelt bei Spiegel Online:

Symbolisch gibt es Annäherungen. Als das deutsche Olympiateam aus Rio zurückkehrte, überreichte es Vertretern der paralympischen Mannschaft die deutsche Fahne. Dazu die einheitliche Einkleidung, der gleiche Slogan „Wir für Deutschland“. Es sind Gesten, aber für DBS-Präsident Beucher zeigen sie, dass der Behindertensport auf dem richtigen Weg ist. Und auch Rollstuhlbasketballer Bienek sagt: „Ich sehe die Veränderungen, ich sehe die Unterstützung, die meine Mannschaft und ich bekommen. Das wird immer mehr.“

III. Übersicht über Medien-Angebote zu den Paralympics

Die Begründerin der Paralympics-Zeitung, Annette Kögel, gibt im Tagesspiegel Tipps, über welche Seiten man die Paralympics live mitverfolgen kann. Die Paralympics-Zeitung ist ein Kooperationsprojekt des Tagesspiegels und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV):

Außerdem wird es hier fortlaufend Infos geben:

IV. Ereignisse, Gesichter, Sportarten und Zahlen zu den Paralympics

Eine Übersicht über die Pannen vor den Paralympics gibt Ronald Tenbusch bei Welt.de.

Die dpa hat eine Liste der möglichen Stars der Paralympics herausgegeben.

Der Focus gibt eine Übersicht über die einzelnen Sportarten der Paralympics.

Spox.com hat interessante Zahlen zu den Paralympics veröffentlicht.

Die faz eröffnet Einblicke in das Projekt von Denise Schindler, über einen 3-D-Drucker eine Prothese zu drucken. Sie ist auch Teil der Porträt-Reihe über Paralympics-Sportler*innen bei 3sat.

Über High-Tech-Prothesen informiert auch der Deutschlandfunk im Porträt über eine isländische Firma.

Die Stuttgarter Zeitung bastelte eine Multimedia-Reportage über Schwimmer Christoph Burkhard (Direktlink).

Ein paar Fakten und ein Foto von algerischen Rollstuhlbasketballerinnen bringt die Morgenpost.

Einen Bericht über den unterschiedlichen Klang der Paralympics-Medaillen bringt DRadioWissen.

Die Paralympischen und Olympischen Spiele gehören zusammengelegt, meint plädiert Christiane Link bei Zeitonline.

Das Rollt Magazin hat eine Extra-Ausgabe zu den Paralympics herausgebracht.

Der Paralympic Games Official Song 2016 kommt von Ronaldinho:

Zuletzt noch ein Interview mit Schauspieler RJ Mitte bei Channel 4 News, der sich zu Themen wie den Paralympics, der Sichtbarkeit behinderter Schauspieler*innen im Mainstream und seiner Rolle bei „Breaking Bad“ äußert:

Titelbild: Screenshot Dradio Kultur