Anne Leichtfuß schreibt im Text über Menschen mit Down-Syndrom und den Blut-Test für Schwangere.

Mein Name ist Anne Leichtfuß.
Ich bin Journalistin.
Das heißt: Ich schreibe viele Texte.
So habe ich noch nie einen Text angefangen: mit meinem Namen.
Sonst habe ich eine andere Aufgabe.

Ich arbeite für das Magazin Ohrenkuss.
Das ist eine Zeitschrift.
Sie wird von Menschen mit Down-Syndrom geschrieben.

Und ich arbeite für das Forschungs-Institut TOUCHDOWN 21.
Da forschen Menschen mit und ohne Down-Syndrom zusammen.
Wir forschen zum Thema Down-Syndrom.

Ich habe viele Kolleginnen und Kollegen mit Down-Syndrom.
Wir arbeiten zusammen.
In dieser Arbeit ist meine Meinung nicht wichtig.
Die Meinung der Menschen mit Down-Syndrom ist wichtig.
Ich schreibe ihre Texte auf.
Für unsere Zeitschrift.
Oder auf verschiedenen Internet-Seiten.
Ich mag diese Arbeit.
Ich mache sie gerne.
Aber jetzt will ich auch meine eigene Meinung sagen.

Ich will meine Meinung sagen zu einem Blut-Test.
Über diesen Blut-Test wird gerade viel geredet und geschrieben.

Was ist das für ein Blut-Test?
Es ist ein Test für schwangere Frauen.
Mit diesem Test können sie heraus-finden:
Hat das Ungeborene eine Trisomie 13, 18 oder 21?
Sie erfahren also:
Hat das Ungeborene das Down-Syndrom?

Bald müssen die Politiker und Politikerinnen in Deutschland etwas entscheiden.
Sie müssen entscheiden:
Sollen in Zukunft die Kranken-Kassen für diesen Blut-Test bezahlen?
Dann müssen die Frauen ihn nicht mehr selbst bezahlen.
Darüber wurde diese Woche im Bundestag beraten.

Ich sage:
Mir ist egal, wer für den Test bezahlt.
Jede Frau kann selbst entscheiden:
Will ich den Test machen oder nicht?
Jede Frau hat das Recht dazu.
Aber ich finde:
Es gibt viele Fragen zu diesem Thema.

In der Beratung im Bundestag wurde gesagt:

„Viele individuelle Entscheidungen sind irgendwann Gesellschaft.“

Das heißt:
Jede Frau entscheidet es selbst.
Aber: Viele Frauen treffen dieselbe Entscheidung.
Sie entscheiden sich:
Ich will kein Kind mit Down-Syndrom haben.
Wenn viele Frauen sich so entscheiden, merkt man daran:
Das ist die Meinung der Gesellschaft.
Die meisten Menschen in Deutschland denken so.

Im Moment reden und schreiben viele Menschen über diesen Blut-Test.
In den Zeitungen.
Und im Internet.
Viele Menschen schreiben Kommentare dazu.
Sie schreiben ihre Meinung.
Und diese Kommentare zeigen mir:
Viele Menschen finden:
Menschen mit Down-Syndrom gehören nicht dazu.

Diese Menschen sind unsicher.
Sie sind wütend.
Oder sie haben Angst.

Zwei Menschen mit Downsyndrom sitzen an einem Bürotisch und besprechen etwas.

 

Meine Kollegin Natalie Dedreux sagt:
„Wir Menschen mit Down-Syndrom sind cool. Ihr müsst keine Angst vor uns haben.“

Ich finde: Sie hat Recht.

Ich arbeite mit Menschen mit Down-Syndrom zusammen.
Wir verbringen Zeit zusammen.
Wir schreiben Texte zusammen.
Wir reisen zusammen.
Ich liebe diese Arbeit.
Ich bin froh darüber.
Ich bin gerne Teil von diesem Team.

Ich bin froh, dass es Menschen mit Down-Syndrom gibt in Deutschland.
Und ich will, dass das auch in Zukunft so bleibt.

Ich habe im Rheinland 20 Kollegen und Kolleginnen mit Down-Syndrom.
Und noch an vielen anderen Orten.
Alle diese Menschen leben gerne.
Sie sind gerne auf der Welt.
Sie finden ihr Leben gut.

Immer mehr Menschen in Deutschland machen vor der Geburt einen Test.
Sie wollen wissen:
Hat das Ungeborene das Down-Syndrom oder nicht?

Manchmal ist das Test-Ergebnis:
Ja, das Ungeborene hat das Down-Syndrom.
Dann entscheiden Familien fast immer:
Dieses Ungeborene wird nicht geboren.
Sie entscheiden sich für eine Abtreibung.
Sie wollen kein Familien-Mitglied mit Down-Syndrom haben.
So ein Leben will ich nicht.

Ich frage mich:
Warum ist das so?
Haben diese Menschen nicht zugehört?
Haben sie etwas nicht mitgekriegt?

Ich habe junge und ältere Kollegen und Kolleginnen mit Down-Syndrom.
Alle jungen Kollegen und Kolleginnen entscheiden selbst über ihr Leben.
Sie ziehen von zu Hause aus.
Sie leben in einer eigenen Wohnung.
Oder in einer Wohn-Gemeinschaft.
Sie haben einen Job.
Sie haben Freunde und Freundinnen.
Sie haben eine Beziehung.

Natürlich ist das Leben für Menschen mit Down-Syndrom nicht immer einfach.
Es gibt nur wenige Jobs auf dem 1. Arbeits-Markt.
Es gibt nur wenig gute Assistenz.
Es gibt nur wenig Informationen in Leichter Sprache.
Es gibt nur wenig Wohnungen für Menschen mit Down-Syndrom.
Trotzdem sind alle Menschen mit Down-Syndrom froh zu leben.
Alle Menschen mit Down-Syndrom, die ich kenne.

Ich fühle mich mit Menschen mit Down-Syndrom verbunden.
Und ich merke:
Die meisten anderen Menschen fühlen sich nicht mit ihnen verbunden.
Sie können sich nicht vorstellen:
Wie lebt heute ein Mensch mit Down-Syndrom?

Sie haben Mitleid mit Leuten mit Down-Syndrom.
Sie haben keinen Respekt.
Und sie sind wütend.
Das zeigen mir viele Texte bei Facebook.
Ich verstehe nicht, warum das so ist.
Es macht mich müde.

In diesem Jahr wird an vielen Orten gefeiert.
Vor zehn Jahren hat Deutschland die UN Behinderten-Rechts-Konvention unter-schrieben.
Das ist ein Vertrag.
In dem Vertrag geht es um die Rechte von Menschen mit Behinderung.
Sie sollen ein gutes Leben haben in Deutschland.
Sie sollen nicht mehr ausgeschlossen sein.
Sie sollen die gleichen Rechte und Chancen haben wie alle anderen Menschen.

Im UN-Vertrag steht auch:
Das Denken in Deutschland soll sich verändern.
Es soll Inklusion geben.
Menschen mit Behinderung sollen gehört werden.
Ihre Meinung soll wichtig sein.
Aber ich merke:
Das passiert nicht.
Viele Menschen wollen nichts von Inklusion wissen.
Sie hören nicht zu.
Sie sind dagegen.

Viele Menschen denken:
Kinder mit Down-Syndrom sollen heute nicht mehr geboren werden.
Oder sie finden: „Behindert“ ist ein Schimpf-Wort.

VIele Menschen mit und ohne Downsyndrom sitzen an einem Tisch zusammen und haben eine rege Besprechung.

 

Auch meine Kollegen und Kolleginnen vom Ohrenkuss haben zu dem Thema geschrieben.
Hier kommen ihre Texte:

Meine Kollegin Angela Fritzen schreibt:
„Mehr Kinder mit Down-Syndrom möchte ich! „

Jil-Marie Zilske findet:
„ich finde‘s einfach nicht in Ordnung, dass wir nicht hier wären. Mich macht das einfach nur traurig.“

Natalie Dedreux sagt:
„Das Thema hält mich auf Trab, dass die alle Abbrüche machen. Ich finde es auch Scheiße, dass man uns einfach abtreibt, das geht nicht.“

Julian Göpel glaubt: Es geht eher um die Anbieter der Tests. Er schreibt:
„Die wollen nur das Geld. Die Finanzen.“

Paul Spitzeck ist froh, auf der Welt zu sein. Er diktiert:
„Ich bin glücklich, bin ich. Wenn ich auf die Welt komme, mache ich neue Entdeckung. Dass man sehr viel sehen kann, was die Welt passiert. Und wenn das Kind größer wird, kann auch mal Bürgermeister werden oder in die Politik gehen.“

Daniel Rauers diktiert:
„Mein Leben ist gut. Ich habe ein gutes Leben.
Ich glaube, dass der Bluttest was Anderes heißt: Wenn das Kind das Down-Syndrom hat, dann heißt das: Es könnte ein bisschen besonders sein.“

Johanna von Schönfeld mag ihr Leben. Sie schreibt:
„Ich finde es gut, dass ich ein selbstbestimmtes Leben habe und ich finde mein Leben im Großen und Ganzen sehr cool.“

Martin Weser findet:
„Ich finde mein Leben fast immer Spaß. Darüber freue ich mich am meisten.

Nicht gut finde ich, dass die Krankenkassen für den Bluttest bezahlen werden.“

Ich weiß nicht:
Wie fühlt sich das für Menschen mit Down-Syndrom an?
Aber ich weiß:
Für mich fühlt es sich nicht gut an.
Es macht mich wütend.
Traurig.
Und müde.

Ich weiß auch:
Reden hilft.
Zeit zusammen verbringen hilft.
Sich zu treffen hilft.

Darum bin ich oft unterwegs.
Ich reise zusammen mit Menschen mit Down-Syndrom.
Wir sind unterwegs.
Menschen mit Down-Syndrom sprechen für sich selbst.
Die reden über wichtige Themen.
Sie schreiben Texte.

Das ist gut.
Und es ist wichtig.
Darum mache ich damit weiter.
Aber das ist nicht immer leicht.

Ich habe Wünsche für die Zukunft.
Ich wünsche mir, dass man Menschen mit Down-Syndrom zuhört.
Ich wünsche mir, dass man sie respektiert.
Ich will, dass alle sehen:
Menschen mit Down-Syndrom leben gerne.
Sie haben ein Recht, auf der Welt zu sein.

Und ich finde:
Die Beratung von schwangeren Frauen muss sich verändern.
Sie muss besser werden.
Sie muss offen sein.
Die Frauen müssen mehr über das Leben mit Menschen mit Down-Syndrom wissen.
Nur dann können sie entscheiden:
Kann ich mir so ein Leben vorstellen oder nicht?

Ich möchte auch in Zukunft mit vielen verschiedenen Menschen zusammen-leben.
Auch mit Menschen mit Down-Syndrom.
Denn das macht mich glücklich.

Die Fotos haben Sandra Stein und Britt Schilling gemacht.