Am Freitag, 20. September, fand im Berliner Club SO36 ein Punk-Konzert mit drei verschiedenen Bands statt. Eine Protestaktion gegen hörende Musikdolmetscher*innen unterbrach das Konzert. Wir möchten hier über den Protest und die verschiedenen Standpunkte informieren.
Der Abend stand unter dem Motto „Konzerte Fett Feiern Inklusiv – Kon-Fett-I – Musik in Gebärdensprache. Während eines Auftritts kam es zu einer Protestaktion gegen die Anwesenden Musikdolmetscher*innen von #DieMitDenHändenTanzen.
Die tauben Aktivist*innen von „Deaf Performance Now“ stellten sich während des Auftritts von „Metzer 58“ vor die Bühne und hielten Schilder mit ihren Forderungen nach mehr tauben Musikdolmetscher*innen in Richtung Publikum. Anschließend durften sie sich auch auf der Bühne zu ihrem Standpunkt äußern.

“Wir wollen keine Vermarktung unserer Muttersprache!“
“Hat jemand uns gefragt, wie wir Musik verstehen wollen?”
“#DeafPerformanceNow!”
Später erschien auf dem Portal Taubenschlag ein von den Aktivist*innen geschriebener Text, der ihre Forderungen enthält. Diesen Beitrag könnt ihr hier nachlesen.
- Taube Präsenz auf der Bühne – durch Taube Performende und Taube Dolmetschende, mit denen wir uns identifizieren können!
- Sichtbarkeit Tauber Menschen und Tauber Kultur!
- Keine Aneignung unserer Kultur, keine Vermarktung unserer Sprache ohne unsere Beteiligung!
- Kritische Reflexion der eigenen Privilegien und der eigenen Machtposition durch hörende Dolmetscher_innen!
Zusätzlich wurde noch ein Statement auf der Webseite veröffentlicht. Dieses kann als pdf-Datei auf der Seite von Laura Schwengber heruntergeladen werden.
Ich und auch meine Kolleginnen im Team, sind uns unserer Privilegien als Angehörige der hörenden Mehrheitsgesellschaft bewusst. Wenn wir mit unserer Arbeit nicht alle Erwartungen der Community erfüllen und unsere Sichtbarkeit taube Menschen verletzt, tut uns das aufrichtig leid.
Die Reflexion ist ein ständiger Prozess in unserer Arbeit als Dolmetschende. Der Forderung Deaf Performance Now schließen wir uns an und möchten zukünftig die Belange der Community mehr in unsere Arbeit einfließen lassen.
Unser Autor Wille Felix Zante, selbst gehörlos, hat in einem Twitter-Thread die ganze Diskussion noch einmal aus seiner Sicht zusammengefasst:
Aktuell gibt es unter Gehörlosen Protest gegen „das Musikdolmetschen“. Ein Thema, das in den vergangenen Jahren immer mal wieder für Aufregung gesorgt hat. Ich möchte gern mal versuchen, das zusammenzufassen, dass man sich ein etwas differenzierteres Bild machen kann:
— Wille (@txtnso) 24. September 2019
Update vom 28. September:
Am 27. September veröffentlichten Deaf Performance Now um 16.00 Uhr ein Antwortvideo auf das Youtubevideo von #DieMitDenHändenTanzen auf ihrer Facebook-Seite und lehnten das Angebot, dass auch gehörlose Dolmetscher*innen zum Team eingeladen seien ab. Gehörlose Menschen hätten nicht die gleichen Chancen, die geforderte Ausbildung zu erlangen.
Um 18.00 Uhr machte Laura Schwengber auf ihrer Facebook-Seite ein „Ask me Anything“ zu dem Thema Musikdolmetschen. Bei diesem Austausch kam es aber zu keiner Interaktion mit den Aktivist*innen von Deaf Performance Now.
Deshalb folgte im Anschluss noch einmal ein direktes Antwortviideo an Deaf Performance Now.
Auch zu dieser neuen Entwicklung gibt es auf Twitter von unserem Autor Wille Felix Zante einen Überblick:
Update 28. September: Es geht weiter. Erstmal Namen nennen, weil @leidmedien das im Artikel eh benennt: die hörenden Dolmetscher sind „Die mit den Händen Tanzen", hier DMDHT abgekürzt, gegründet von Laura M. Schwengber (LMS, @LMSchwengber),…
— Wille (@txtnso) September 28, 2019
Update vom 8. Oktober:
Am 30. September veröffentlichten die Aktivist*innen von Deaf Performance Now auf ihrer Facebookseite ein weiteres Video mit ihren acht Forderungen:
Was ist eure Meinung?
Titelbild: Andi Weiland | Gesellschaftsbilder.de, Bild im Text: Screenshot Taubenschlag.de
Guten Tag,
ich fände es gut, wenn Leidmedien als Hörenden-Magazin sich aus dieser Debatte der Gehörlosen heraus halten würde.
Hallo Daniel,
wir sehen es also unsere journalistische Pflicht, über diese Debatte zu informieren. Wir bilden hier nur beide Seiten ab und debattieren bewusst nicht mit.
Grüße aus der Redaktion
Der Autor Jonas Karpa ist laut meinen Informationen nach blind?
Ich finde es im höchsten Maße absurd, wenn ein Blinder beurteilen will, was das Problem ist am Musikdolmetschen, wenn er selbst erstens a) wie die Mehrheitsgesellschaft keinerlei Wissen hat über die Gebärdensprache, Gehörlose und Gehörlosenkultur,
b) nicht die Qualität beurteilen kann, weil er eben a) keine Kenntnisse der Gebärdensprache hat und weil aufgrund der Blindheit nicht möglich ist qualitativ den Unterschied zwischen einem hörenden Gebärddensprachdolmetscher und und einem tauben Gebärdensprachdolmetscher zu erkennen.
Wenn ich Hörenden (sehenden) Menschen das Video von tauben Gebärdensprachdolmetschern beim ESC zeige, dann empfinden sie das auch als angenehmer für das Auge, obwohl ihnen nicht klar ist, woran das liegt.
Warum ist es für euch selbstverständlich geworden, dass Hörende bestimmen, wie die Debatte über Gehörlose und deren Bedürfnisse aussehen? Leidmedien.de
Dieser Artikel über die Diskussion über das Musikdolmetschen hätte eindeutig von einem Gehörlosen geschrieben werden müssen – sonst seid ihr ja auch immer für den Blickwinkel aus der Sicht der Betroffenen? Aber der Artikel dazu wird von einem Hörenden ohne JEDE Kenntnisse der Materie geschrieben.
Fair ist das nicht gegenüber den Gehörlosen.
Ich (selbst hörend und sehend) hätte niemals von der Debatte erfahren, wenn nicht auch eine nicht direkt betroffene Person über das Thema hätte berichten dürfen.
Der Artikel selbst scheint mir keinerlei Bewertung oder Bevorzugung von einer der beiden Seiten zu beinhalten, weshalb ich die Vorwürfe nicht verstehen kann. Tragen solche Vorwürfe nicht zur Marginalisierung einer sowieso schon kleinen Gruppe bei? Ich kann mich als nicht betroffene Person ja nicht für die Belange von Gehörlosen einsetzen, wenn ich nicht einmal davon erfahren kann.
Auf die Spitze getrieben würde die angebrachte Argumentation auch bedeuten: Gehörlosen-Themen dürfen nur von Gehörlosen berichtet werden und eigentlich sollen das dann auch nur Gehörlose lesen, weil „die anderen“ es ja eh nicht verstehen.
Ich bin deshalb dankbar, durch den Artikel _überhaupt_ darauf aufmerksam geworden zu sein, dass es hier eine Debatte gibt.
Betroffene Menschen werden vor allem marginalisiert, wenn nichtbetroffene Menschen darüber bestimmen, wie die Debatte zu dem Thema, wovon sie betroffen sind, aussehen soll.
Mich stößt es ab, wenn ein Nichtbetroffenen ein derartige sensibles Thema völlig einseitig bewertet.
Gehörlose werden und wurden sehr lange von Hörenden fremdbestimmt – dieser Artikel folgt dieser traurigen Tradition.
Der Ton macht doch hier wirklich die Musik. Das ist in meinen Augen eine Berichterstattung, die im Grunde verschiedene Standpunkte verlinkt. Eine Stellungnahme des Autors erfolgt im Grunde nicht. Wenn es für ein Thema Aufmerksamkeit geben soll, das eine Minderheit betrifft, dann ist es unweigerlich notwendig, dass auch Menschen, die nicht dieser Minderheit angehören, sich mit dem Thema auseinandersetzen und erreicht werden.
Das einzige, was diese Kommentare hier erreichen, ist dass Menschen, die noch keinen Kontakt mit der Gehörlosenkultur haben, abgestoßen werden.
Betroffene Menschen werden vor allem marginalisiert, wenn nichtbetroffene Menschen darüber bestimmen, wie die Debatte zu dem Thema, wovon sie betroffen sind, aussehen soll.
Mich stößt es ab, wenn ein Nichtbetroffenen ein derartige sensibles Thema völlig einseitig bewertet.
Gehörlose werden und wurden sehr lange von Hörenden fremdbestimmt – dieser Artikel folgt dieser traurigen Tradition.