#TaubeFilme – ein Hashtag und die Nachricht dahinter

Bei Twitter gab es neulich den Hashtag #TaubeFilme, es war ein lustig gemeinter Hashtag, doch eigentlich wollte die Community darauf aufmerksam machen, dass es noch zu wenig Filme mit Rollen gibt, die gehörlose Menschen darstellen und von gehörlosen Schauspieler*innen gespielt werden. Clara Belz mit einer Übersicht der Entwicklung.

Ein Klassiker der Filmgeschichte ist “Jenseits der Stille” aus dem Jahr 1996. Die Geschichte handelt von einem Mädchen namens Lara, die selbst hörend ist und die die Tochter von gehörlosen Eltern ist. Lara selbst wuchs mit der Muttersprache der Eltern auf (Gebärdensprache). Als Kind musste sie ganz oft in allen Lebenslagen für die Eltern als Gebärdensprachdolmetscherin fungieren. Zunehmend fühlte sie sich überfordert. Als ihre Tante ihr eine Klarinette zu Weihnachten schenkt, entdeckt Lara ihre Liebe zur Musik. Mitten im Film stirbt die Mutter von Lara (Emmanuelle Laborit) bei einem Unfall mit dem Fahrrad, nachdem sie frisch das Fahrradfahren gelernt hatte (Lara hatte es ihr beigebracht).  Am Ende begreift der Vater die Liebe Laras zur Musik.

“Verstehen Sie die Béliers?”

Der Kinofilm “Verstehen sie die Béliers?” (2014) ist die Neuverfilmung des Dramas “Jenseits der Stille”. Doch es gibt auch Änderungen in der Handlung. In beiden Filmen werden klischeehafte Vorurteile gezeigt, zum Beispiel, dass die hörenden Familienmitglieder das gehörlose Kind als Dolmetscher einsetzen. Es mag sein, dass dies früher mal gemacht wurde, aber heute hat sich die Gesellschaft geändert. Das Bewusstsein dafür, dass ein Kind nicht die Verantwortung für die Kommunikation seiner gehörlosen Eltern trägt, ist heute da. Früher habe ich die Erfahrung gemacht, dass meine Eltern gefragt wurden, wieso ihr Kind denn nicht dolmetschen könne, da es doch die Gebärdensprache kann. Man könne damit doch Kosten sparen. Man sollte also auch damit anfangen, Filme zu produzieren, in denen Kinder nicht als Dolmetscher für die gehörlose Eltern fungieren und ohne jedes Klischee aufwachsen können.

Hauptrollen für gehörlose Menschen

Doch wie sieht es eigentlich mit den Hauptrollen aus? Werden diese auch von gehörlosen Schauspieler*innen gespielt? Gibt man bei Moviepilot.de den Begriff “Gehörlosigkeit” ein, werden 32 Filme angezeigt. An einige Filme konnte ich mich erinnern, die ich als Kind mit meinen Eltern geschaut habe. Zum Beispiel an die Dokumentation über die taubblinde Schriftstellerin Helen Keller. Ihre Lebensgeschichte hat mich als Kind nachhaltig beeindruckt. Oder der Film “Stille Liebe”. In dem Film spielt die gehörlose Schauspielerin Emmanuelle Laborit eine Nonne. Sie verliebt sich in einen gehörlosen Obdachlosen, der auch noch kriminell ist. Es ist eine tieftraurige Geschichte.

Blick in die USA

Da die USA mit ihren Fortschritten in Sachen Barrierefreiheit inzwischen in aller Munde ist, lohnt es sich, auch dort nach Filmen zu suchen, in denen gehörlose Schauspieler*innen eine Rolle spielen. “Orphan – Das Waisenkind” (2009) fiel mir in der Liste sofort auf. In dem horrorähnlichen Film spielt die gehörlose Schauspielerin Aryana Engineer das gehörlose Kind Maxine. Die Familie hat im Laufe des Films ein weiteres Kind namens Esther aus dem Waisenhaus adoptiert. Das Besondere an diesem Film ist, dass alle Schauspieler*innen, außer Aryana, Gebärdensprachunterricht genommen haben. Aryana wirkte auch in der Science Fiction Videospielfilmreihe “Resident Evil: Retribution” mit, auch als gehörlose Tochter. Ich finde es echt spannend, dass es mal eine Fantasygeschichte ist, in der Gehörlose natürlich miteinbezogen wurden, als wäre das eine Selbstverständlichkeit.

Serien mit Gehörlosen

Es gibt in den USA auch einige TV-Serien, in denen Gehörlose eine Rolle haben. Die wohl berühmteste Serie ist “Switch at Birth”. In Deutschland ist sie mittlerweile auch beliebt. In der Serie spielt die Oscarpreisträgerin Marlee Matlin mit. Es geht um den kulturellen Konflikt zwischen hörenden und gehörlosen Menschen. Nebenbei ist auch die soziale Kluft zwischen Arm und Reich das Thema. Aber im Vordergrund der Geschichte steht der Babytausch als Streitthema zwischen den Familien. Die Serie bildet die Lebensrealität der gehörlosen und hörenden Menschen ab, deren Welten total unterschiedlich sind. Die Gehörlosen haben eine eigene Kultur und für die Hörenden ist das schwierig zu verstehen. Sie versuchen sich aneinander anzupassen, was auch nicht immer klappt, und manchmal zu komischen Konflikten führt.

Im Vergleich zu deutschen Filmen bieten die USA vielfältigere Filme an, in denen Gehörlose Rollen spielen. Sie haben auch oft verschiedene Genres. Ich würde mir wünschen, dass auch in sehr gruseligen Horrorfilmen wie “Hush” oder “The Silence” Gehörlose Rollen spielen.

Auch wenn wir in Deutschland bald die Buchverfilmung „Freak City“ haben werden, haben wir Nachholbedarf, was Serien mit Gehörlosen angeht. Es wäre auch cool, wenn es eine Kinder-Serie mit Gehörlosen gäbe. Denn gehörlose Kinder brauchen Vorbilder in der Öffentlichkeit, die ihnen zeigen, was man alles erreichen kann.

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