
Leitfäden
Workshops
Ableism/ Ableismus/ Behindertenfeindlichkeit
Benennt die Auf- und Abwertung von Menschen nach ihnen zugeschriebenen Fähigkeiten, was zur Diskriminierung von chronisch kranken und behinderten Menschen führt. Ableismus geht von einem physischen und psychischen Idealstandard des Menschen aus, dem chronisch kranke und/oder behinderte Menschen nicht gerecht werden können. Sie gelten demzufolge als „minderwertig“. Auf sozialer Ebene bedeutet es, dass behinderte und/oder chronisch kranke Menschen oft ausgeschlossen und unsichtbar gemacht werden.
Behinderter Mensch, Mensch mit Behinderung
„Darf ich Sie ‚behindert‘ nennen?“ Diese Frage ist für viele behinderte Menschen Alltag. Seitdem Teenager sie auf Schulhöfen als Schimpfwörter benutzen, sind die Worte „Behinderung“ und „behindert“ in Verruf geraten. Zu Unrecht, denn für viele behinderte Menschen ist es eine neutrale Beschreibung eines Merkmals. Wichtig ist nur das Wort “Mensch”, da mit dem Begriff “Behinderte” das Bild einer festen Gruppe entsteht, die in Wirklichkeit vielfältig ist. „Der/die Behinderte“ reduziert die Person auf ein Merkmal, das alle anderen Eigenschaften dominiert. Das ist auch der Fall, wenn von „den Blinden“ oder “den Gehörlosen” die Rede ist.
Mensch mit besonderen Fähigkeiten oder Bedürfnissen
Da viele befürchten, allein mit dem Wort „Behinderung“ zu beleidigen oder zu stigmatisieren, hat sich eine Reihe von beschönigenden Alternativ-Ausdrücken, wie z.B. „besondere Bedürfnisse“ oder „andersfähig“ etabliert. Ganz abgesehen davon, dass nur wenige behinderte Menschen selbst diese Ausdrücke gebrauchen: Sie treffen einfach nicht zu. Die Fähigkeiten und Bedürfnisse behinderter Menschen sind nicht „besonders“, sondern genauso vielfältig wie die nicht behinderter Menschen.
Die Gesunden und Kranken
Gesundheit ist genauso wie „Normalität“ eine konstruierte Vorstellung – jeder Mensch hat seinen eigenen Blick darauf. Krankheit heißt für die meisten Menschen, von einem Leiden befallen zu sein, von dem sie geheilt oder an dem sie schlimmstenfalls sterben werden. Behinderung hingegen ist in der Regel etwas Dauerhaftes, etwas, das nicht einfach weggeht, aber auch kein ständiges Leiden verursachen muss. Daher ist das Gegenteil von “behindert” einfach “nicht behindert” und nicht “gesund” – auch ein behinderter Mensch kann mal einen Schnupfen haben, also krank sein, und dann wieder genesen.
„Invalide/Invalidität“
„Invalide“ leitet sich aus dem Lateinischen ab und bedeutet soviel wie „kraftlos“, „schwach“ und „hinfällig“. Verwandt ist der Begriff mit Wörtern romanischer Sprachen, die zum Beispiel „unwert“, „ungültig“ oder „untauglich“ bezeichnen. Allein deswegen sollte man auf „invalide“ und „Invalidität“ verzichten – abgesehen davon sind diese Begriffe veraltet.
„Die Normalen“
Sicher gibt es mehr Menschen die laufen, gut sehen oder hören können als solche, die das nicht gut können. Dennoch ist die Vorstellung einer fixen Normalität fragwürdig. Wo genau das „Normale“ anfängt und wo es aufhört – dazu gibt es viele Meinungen. Deswegen sind die Kategorien „normal“ oder „anormal“ auch nicht besonders geeignet, Menschen mit und ohne Behinderung zu beschreiben.
„Der Rollstuhl“
Dass behinderte Menschen mit ihren Hilfsmitteln gleichgesetzt werden, kommt immer wieder vor. Besonders „gut“ darin sind manche Mitarbeiter der Bahn: „Hier steigt noch ein Rollstuhl ein“ heißt es zuweilen beim Service-Personal auf dem Bahnsteig. Der darin sitzende Mensch wird dabei unwichtig. Dass sie als geschlechtsneutrale Objekte wahrgenommen werden, passiert behinderten Menschen sowieso häufig – gut, wenn das nicht noch alltagssprachlich untermauert wird.
„Taubstumm“
Gehörlose Menschen sind nicht „stumm“ oder „taubstumm“, sondern können genauso wie Hörende sprechen, entweder in der Gebärdensprache (die übrigens auch keine „Zeichensprache“ ist) oder lautsprachlich. „Gehörlos sein“ bzw. Gehörlosigkeit sind neutrale Begriffe, die deshalb von vielen nicht hörenden Menschen bevorzugt werden.
Einige von ihnen stören sich aber auch an dem Begriff der Gehörlosigkeit, weil er zu defizitär wirkt. Sie nennen sich weiterhin „taub“ und zeigen damit, dass das Taub-Sein eine ihrer vielen Eigenschaften ist. Beachten sollte man allerdings, dass das Wort „taub“ auch oft synonym verwendet wird für „Ignoranz“ oder „Nicht-hinhören-wollen“ – eine Metapher, die man vermeiden kann. Menschen, deren Hörvermögen eingeschränkt ist, bevorzugen Begriffe wie „schwerhörig“ oder „hörbeeinträchtigt“, manchmal auch „hörbehindert“.
Autist*in
Beeinträchtigung, beeinträchtigt
Seit ein paar Jahren haben sich neue Begriffe etabliert „Menschen mit Beeinträchtigungen“ und „beeinträchtigte Menschen“. Viele sind verwirrt: „Ist ‚beeinträchtigt‘ jetzt das neue ‚behindert‘?“ Wir sagen: Jein. Die Disability Studies unterscheiden zwischen Beeinträchtigung und Behinderung: Die Beeinträchtigung ist die körperliche Seite der Behinderung – das fehlende Bein oder die fehlende Sehkraft, die chronische Krankheit. Bei „Behinderung“ kommt eine soziale Dimension dazu – Barrieren behindern und schließen aus, und das macht die Beeinträchtigung oft erst zum Problem.
Chronisch krank
Ab wann eine Erkrankung als „chronisch“ gilt, ist in der Medizin umstritten – manchen Fachleuten reichen vierzehn Tage, für andere beginnt sie erst ab drei Monaten Krankheitsdauer. Allgemein sind Krankheiten chronisch, wenn sie andauern und es für sie keine Heilung gibt. Damit ist der Übergang zu Behinderung fließend: Chronische Krankheiten und dauerhafte Beeinträchtigungen wie zum Beispiel Multiple Sklerose (MS), Depression, Diabetes oder manche Krebs- oder Herzerkrankungen können zu Behinderungen werden.
„Geistige Behinderung“
Der Begriff „geistige Behinderung“ ist momentan umstritten. Vielen gilt er nach wie vor als neutrale Bezeichnung für Menschen, die große Probleme mit dem Lernen und Schwierigkeiten haben, abstrakte Dinge schnell zu verstehen. Viele der so bezeichneten Menschen aber lehnen den Begriff „geistige Behinderung“ ab und nennen sich lieber Mensch mit Lernschwierigkeiten. Sie finden, dass nicht ihr „Geist“ behindert ist, und dass „geistige Behinderung“ sie als ganzen Menschen schlecht macht. Mehr Informationen gibt es unter www.People1.de. Auch „Mongo“ und “mongoloid” ist veraltet und diskriminierend: zum einen behindertenfeindlich gegenüber Menschen mit Trisomie 21 / Down-Syndrom; zum anderen rassistisch, da es eine Anspielung auf die angeblich „asiatische“ Augenform von Menschen mit Trisomie 21 ist.
Menschen mit Handicap
In Deutschland wird der Ausdruck „Menschen mit Handicap“ oft rein euphemistisch gebraucht, als Ersatz für Menschen mit Behinderung. Bei Nutzung des Wortes kann die Gefahr bestehen, dass das soziale Modell der Behinderung außer Acht gelassen wird. Dieses besagt, eine Person ist nicht nur behindert, sondern wird auch durch die Umwelt behindert (durch Vorurteile, Stufen, fehlende Untertitel usw.). Deutsch-englische Wortfusionen wie „gehandicapt“ oder “gehandicapiert” sollte man ohnehin vermeiden. Mehr Informationen zum Ursprung des Begriffs haben wir ein einem Artikel zusammengefasst.
„Krüppel“
Behinderte Menschen als „Krüppel“ zu bezeichnen war bis in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts normal, gilt aber heute als sehr beleidigend. Einige behinderte Menschen haben sich diesen Begriff jedoch positiv angeeignet: Sie nennen sich selbst „Krüppel“ – nicht abwertend sondern selbstbewusst. Angelehnt ist diese Praxis an andere Minderheiten – homosexuelle Männer beispielsweise definierten die einstige Beleidigung „schwul“ erfolgreich um. Im Gegensatz zu „schwul“ ist „Krüppel“ aber noch kein neutraler Begriff und kann positiv nur innerhalb der Gruppe behinderter Menschen verwendet werden.
„Pflegefall“
Behinderte Menschen als „Pflegefall“ zu bezeichnen reduziert sie auf Pflegebedürftigkeit. Wenn Menschen zu „Fällen“ werden, werden sie als Objekte und Last für die Allgemeinheit wahrgenommen. Sogenannte „Pflegefälle“ bekommen vielleicht auch Persönliche Assistenz: Eine Form der alltäglichen Unterstützung, in der behinderte Menschen selbst Entscheidungen treffen können. Die Form der Pflege oder Assistenz, die ein behinderter Mensch bekommt, kann also unterschiedlich sein.
„Spast“, „Spacko“ und „Wasserkopf“
Solche Ausdrücke lösen negative Assoziationen aus, und auch der „Spast“ hält schnell bei einem Wutausbruch hin und ist immer abwertend gemeint. Vielen behinderten Menschen ist daher eine neutrale Bezeichnung lieber, zum Beispiel der Fachausdruck. Der Mensch mit „Wasserkopf“ wird so zum Mensch mit „Hydrocephalus“, und der „Spastiker“ zum Mensch mit „Cerebralparese“. In jedem Fall gilt – fragen Sie die Betroffenen selbst, wie sie bezeichnet werden wollen.
„Zwerge“ und „Liliputaner“
Von „Zwergen“ oder „Liliputanern“ sprach man früher – aber genauso wie sich Zwei-Meter-Menschen ungern Riesen nennen lassen, empfinden viele Menschen mit geringer Körpergröße diese Bezeichnungen als diskriminierend. Zwerge, Riesen und Liliputaner gehören ins Reich der Märchen. „Kleinwüchsig“ ist da neutraler, meinen die Bundesselbsthilfe Verband Kleinwüchsiger Menschen e.V. und der Bundesverband Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien e.V.
Zum Ausdrucken:
- Tabelle: Wie man gängige Sätze anders formulieren kann, (pdf)
- Beate Firlinger: „Buch der Begriffe. Sprache, Behinderung, Integration.“ Integration:Österreich, 2003 (pdf)
Titelbild: Andi Weiland