Amy Zayed, Radiojournalistin für ARD und BBC

Bei der BBC gucken sie erstmal nach deinen fähigkeiten als journalistin und dann danach was du brauchst, damit du arbeiten kannst. amy zayed arbeitet für ard-wellen und die bbc

Jahrgang 1975, arbeitet für ARD-Wellen und die BBC (World Service, Radio 4, Radio 6 Music). Sie macht Reportagen, meist im Bereich Musik und Kultur und moderiert eine Dokumentarserie.

Wie war Ihr bisheriger Werdegang?

Schon mit 14 Jahren machte ich einige Erfahrungen beim Soldaten-Sender British Forces Broadcasting Service (BFBS). Das war eher ein Zufall, dass ich eingeladen wurde, ich wollte wohl oft genug bei Spielen mitmachen und hatte Anregungen. Während meines Studiums (Englisch, Französisch, Philosophie) habe ich dann dort weiter gearbeitet, außerdem für 1LIVE und beim Uni-Radio Hertz 87,9. Im Anschluss hab ich ein WDR-Volontariat gemacht und dann für andere ARD-Wellen angefangen.

Haben Sie Ihre Behinderung bei den Bewerbungen angegeben?

Ich würde es immer mit angeben, wenn man eine Behinderung hat, und zwar am Ende der Bewerbung, nach der Beschreibung des Werdegangs. Bei 1LIVE hatte ich das Glück, den Musikchef kennenzulernen, der mich für ein Volo vorschlug. Zufällig war der Ausbildungsleiter gleichzeitig auch der Behindertenbeauftragte, der mir dann direkt ein Volontariat anbot. Am Ende hab ich’s gemacht, aber ich habe mich nie richtig beworben.

Welche positiven Erlebnisse gab es? Da ich den Klingelknopf aufgrund meiner Größe nicht erreichen konnte, haben wir uns bei afk max darauf geeinigt, dass ich in der Redaktion anrufe, wenn ich morgens ankomme. Zwei Praktikant*innen trugen mein Rad, das ich als Hilfsmittel nutze, in den zweiten Stock. Bei den Jugendmedientagen in München stellte man, um eine barrierefreie Teilnahme an allen Programmpunkten zu gewährleisten, für Teilnehmende mit Behinderung einen Shuttle-Service zur Verfügung. Die Gebäude, in denen alle Programmpunkte stattfanden, waren ebenfalls komplett barrierefrei. Und welche Herausforderungen gab es? Fehlende Barrierefreiheit ist in Medienunternehmen, zum Beispiel auch bei Pressekonferenzen, ein großes Problem. Das ständige Abfragen im Vorfeld, ob ein Pressetermin barrierefrei zugänglich ist, kostet sehr viel Zeit. Meine Arbeit beim Radio ist etwas schwierig, da Tonstudios nicht auf meine Körpergröße ausgelegt sind und ich somit nicht alle Schalter gleichzeitig bedienen kann. Dabei benötige ich Assistenz. Aber natürlich kann ich ins Mikrofon sprechen. Auch die Voraussetzung bei Praktika, einen Führerschein zu haben, stellt für mich ein Problem da. Aufgrund sehr hoher Kosten für den Umbau eines Autos kann ich mir den Führerschein gerade noch nicht finanzieren. Was wünschen Sie sich von Arbeitgeber*innen? Ich wünsche mir mehr Offenheit gegenüber Journalist*innen mit Behinderung und dass Vielfalt als Chance für das eigene Medium erkannt wird. Außerdem wünsche ich mir, dass Berührungsängste offen zugegeben werden und mir Personen nicht das Gefühl vermitteln, dass ich mich wegen meiner Behinderung beweisen muss. Mein Vorbild ist Gary O‘Donoghue. Er ist blind und arbeitet für BBC News als Auslandskorrespondent in Washington. Das ist auch mein Berufswunsch. Was empfehlen Sie künftigen Bewerber*innen für die freie journalistische Arbeit? Ich empfehle viel Ausdauer und an sich selbst zu glauben. In der freien journalistischen Arbeit können Niederlagen immer wieder vorkommen. Das hat bei mir auch nicht immer etwas mit meiner Behinderung zu tun. Außerdem muss man Kontakte in der Medienwelt aufbauen und pflegen. Die Redakteurin von bento gab mir beispielsweise neben den Kontaktdaten zur Redaktion auch Tipps, wie man einen Artikel vorschlägt. Wichtig ist immer, die thematischen Schwerpunkte eines Mediums herauszufinden und was man selbst dem Medium an Wissen, Themen und Erfahrungen bieten kann.

Welche positiven Erlebnisse hatten Sie am Arbeitsplatz?

Bei BFBS hatte ich schon mit 14 Jahren Sprech-, Interview- und Studiotraining bekommen. Bei der BBC gucken sie erstmal nach Deinen Fähigkeiten als Journalistin und dann danach, was Du brauchst, damit Du arbeiten kannst. Aber hier in Deutschland habe ich die Erfahrung gemacht, dass dieses Blindsein alles andere überschattet hat. Es ist ein Teil von mir, ich will das überhaupt nicht kleiner machen. Aber es ist eben auch nur ein Teil.

Welche Herausforderungen gab es?

Ich hörte Sätze wie: „Wir machen jetzt mehr Buchvorstellungen und Kultur, und das kannst du ja nicht, denn du bist ja blind.“ Ich wurde im Vorstellungsgespräch auch gefragt: „Trauen Sie sich das denn zu, dass Sie den Job machen, denn Sie sind ja blind?“. Auch musste mir leider im Volontariat jemand für unsere Seminararbeit helfen, bis ich erst sieben Monate später meinen Screenreader bekam. Ich durfte auch keine Fernsehseminare mitmachen.

Nach dem Volo kam ich mit den Beiträgen kaum über die Runden, so dass ich bei der Agentur für Arbeit um Beratung bat. Da sagte man mir: „Gehen Sie doch an die Blindenschule in Düren und machen Sie eine Ausbildung als Bürokauffrau, vielleicht finden wir da einen Job für Sie“.

Welche Empfehlungen haben Sie für Arbeitgeber*innen?

Schaut euch an, wie es die BBC macht, die haben ein eigenes IT-Department für Accessibility, überall Screenreader auf ihren Rechnern und Rollstuhlrampen. Und lasst dieses Denken weg „da kommt eine Blinde oder ein Rollstuhlfahrer“. Denkt vielmehr, „da kommt eine Journalistin, die kann halt nicht sehen oder laufen“.

Welche Empfehlungen geben Sie blinden angehenden Journalist*innen?

Vor allem empfehle ich, keine verklärte Vorstellung von dieser Arbeit zu haben. Du wirst schon sehr gefordert, arbeitest Nächte durch. Als Journalist kannst Du es Dir auch nicht leisten, wegen einer Beziehung nicht umzuziehen. Weder als Sehender noch als Blinder. Wenn Du Radio machst, und gerade als Blinder hier in Deutschland, wirst Du Pionierarbeit leisten.

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