Gesa Rünker, stellv. Vorsitzende ver.di/WDR

Zitat: Es wird ja zunehmend crossmedial gearbeitet, also Fernsehen, Radio, Internet zusammengedacht. Manche sagen da können wir blinde nicht gebrauchen. aber das stimmt nicht.

Jahrgang 1969, ist als Mitglied der Gewerkschaft ver.di freigestellte Personalrätin im WDR und arbeitete vorher als Redakteurin bei WDR 5. Nach dem Studium (Deutsch, Geschichte und Politikwissenschaften) absolvierte sie ein Volontariat beim WDR.

Wie war Ihr Werdegang?

In der Oberstufenzeit war ich freie Mitarbeiterin bei der Regionalzeitung. Dazu hat mich ein Lehrer ermutigt. Auch meine Eltern haben mich unterstützt, und mit meinem Vater bin ich kurz vor dem Abi beim WDR aufgekreuzt. Dort traf ich auf den Ausbildungsleiter, der das probieren wollte. So hatte ich die Möglichkeit, während des Studiums Praktika zu machen und bin nach der Uni ins Volontariat gekommen. Danach bekam ich direkt die Festanstellung und war 16 Jahre lang Redakteurin bei WDR 5. Es ist nicht so, dass ich sagen würde, wer das will, der schafft das auch. Das hing sicher auch an Menschen, die mich ermutigten und mir geholfen haben.

Sollte man seine Behinderung bei der Bewerbung erwähnen?

Mein Weg ist, von Anfang an offen zu sagen: „Ich bin blind, dies ist es, was ich bisher journalistisch gemacht habe. Ich kann hören, denken, sprechen und schreiben.“

Welche positiven Erlebnisse hatten Sie am Arbeitsplatz?

In meinem ersten Praktikum bei den Nachrichten haben Kolleginnen und Kollegen zu mir gesagt: „Lass uns nicht immer über die Frage sprechen, was du nicht kannst, sondern lieber das thematisieren, was du kannst.“ Später, in meiner Stammredaktion bei WDR 5, haben mir Menschen signalisiert, dass sie meinen Fähigkeiten und meinem Urteilsvermögen vertrauen.

Welche Herausforderungen gab es?

Im Zusammenhang mit der Digitalisierung beispielsweise musste ich mich viel selbst darum kümmern, dass meine Hilfsmittel mitmachen, und dass das alles eingerichtet und an die sich ändernden Anforderungen technisch angepasst wird. Ein paar Mal ist die Redaktion umgezogen. Da habe ich die Wege in einem Mobilitätstraining neu lernen müssen, was anstrengend ist. Ich habe gelernt, über solche Hindernisse offen zu sprechen, damit Kolleginnen und Kollegen das einordnen können. Ich habe zwei Stunden täglich eine Arbeitsassistenz und organisiere die Zusammenarbeit selbstständig. Bezahlt wird das vom Landschaftsverband. Das ist gut, weil ich auf diese Weise – was regelmäßige Hilfestellungen betrifft – unabhängig vom Arbeitgeber bin. Eine Empfehlung habe ich: Klar formulieren, wo man Hilfe braucht und welche Lösungen es gibt.

Welche Wünsche hätten Sie im Arbeitsleben?

Ich hätte mir von Vorgesetzten mehr Mut für meine Weiterentwicklung gewünscht. Da ist schnell eine Zufriedenheit da, so nach dem Motto: ‘Es läuft, sie macht ihre Arbeit gut, Weiterentwicklung wäre zu riskant.’ Es wird ja zunehmend crossmedial gearbeitet, also Fernsehen, Radio, Internet zusammengedacht. Manche denken und sagen auch: ‘Da können wir Blinde nicht gebrauchen’. Aber das stimmt nicht! Wir brauchen Journalist*innen, die erzählen können, die die richtigen Fragen stellen. Das ist unabhängig vom Sehen. Außerdem müssen sich Personalabteilungen und Vorgesetzte der Verantwortung stellen, behinderte Menschen zu beschäftigen. Das führt auch zur Vielfalt der Berichterstattung.

Haben Sie Tipps für blinde angehende Journalist*innen?

Ich würde sagen: Du brauchst ein bisschen Glück, aber das brauchen Sehende auch. Es ist zu schaffen. Mit den Hilfsmitteln, die es gibt, ist das gut möglich. Wir haben hier beim WDR eine sehr fitte Schwerbehindertenvertretung. Auch deshalb haben wir gerade zwei blinde Volos.

 

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