Holger Kiesel, ehemaliger fester Freier beim BR

Zitat: Es gibt meiner Meinung nach durchaus einige Menschen mit Behinderung, die medienaffin wären und auch Talent hätten, aber formale Kriterien wie die akademische ausbildung nicht erfüllen.

Jahrgang 1975, arbeitet seit über 15 Jahren als fester Freier beim Bayerischen Rundfunk, ist Autor und Redakteur in eigenen Sendungen und Moderator. Seine Sendung dreht sich um das Leben mit Behinderung (Kultur, Sport, Gesellschaft). Zuvor machte er ein Volontariat beim BR.

Wo arbeiten Sie und wie sind Sie dahin gekommen?

Nach dem Abitur auf einem Straubinger Gymnasium studierte ich in Regensburg Germanistik, Geschichte und Politik, mit dem Wissen, dass ich zum Radio gehen will. Während des Studiums eignete ich mir die Praxis an, durch Kurse an der Uni und durch ein Praktikum beim Lokalradio. Eines Tages bekam ich von der Blindenanstalt aus Frankfurt das Angebot, ein Praktikum für körperbehinderte Studenten zu absolvieren. Ich schlug direkt den Bayerischen Rundfunk vor. Sie sendeten meine Unterlagen an den BR weiter. Ich habe dann eine dreimonatige Hospitanz absolviert in drei verschiedenen Abteilungen: in der Redaktion „Unterhaltung Wort“ mit Hörspielen und Rätseln, bei Bayern 3 und bei Zeitfunk (heute Radiowelten bei Bayern 2). Danach arbeitete ich weiter als freier Mitarbeiter und jemand schlug vor, dass ich mich für das Volontariat bewerben soll, wo ich auch angenommen wurde.

Haben Sie in der Praktikums- und Volontariatsbewerbung die Behinderung angegeben?

Ja, in der Bewerbung für das Praktikum hab ich sie angegeben. In der Volontariatsbewerbung musste ich sie nicht mehr angeben, weil sie mich ja schon kannten. Allgemein würde ich es schon angeben. Man hat im Gespräch immer noch die Chance, eventuelle Vorurteile oder falsche Bilder im Kopf zu korrigieren.

Holger Kiesel sitzt im Rollstuhl und spricht ins Mikro. Im Hintergrund sind Schiffe zu sehen.

Wie waren Ihre Erfahrungen während des Volontariats und danach?

Im Volontariat fragte man sich, ob man mich einfach so mit dem Aufnahmegerät raus schicken könne, z.B. um eine Umfrage zu machen. Ich habe dann immer entgegnet: Ich mach das und dann sehen wir, was dabei rauskommt. Nach dem Volontariat hab ich dann in ein paar Abteilungen, in denen ich im Laufe der Zeit gewesen war, versucht, Fuß zu fassen und es hat geklappt.

Was sind die Vorteile als fester Freier gegenüber einem festen Redakteur?

Der entscheidende Vorteil ist die freie Strukturierung eines Tages. Wenn meine Tagesform aufgrund der Behinderung mal nicht so gut ist, dann kann ich oft einiges auf den nächsten Tag verschieben. Oder ich kann eben auch mal einen Arzt- oder Behördentermin tagsüber machen, was bei normalen Bürozeiten eben nicht geht. Der entscheidende Nachteil ist eine permanente Unsicherheit vor allem finanzieller Natur. Wir als feste Freie müssen ein gewisses Minimum erwirtschaften, ansonsten geht der Status verloren.

Was empfehlen Sie Arbeitgeber*innen?

Beim BR ist für die journalistischen Berufe eine akademische Ausbildung Voraussetzung. Aber es gibt meiner Meinung nach durchaus einige Menschen mit Behinderung, die medienaffin wären und auch Talent hätten, aber eben diese formalen Kriterien nicht erfüllen.

Anmerkung: Inzwischen ist Holger Kiesel Behindertenbeauftragter der bayrischen Staatsregierung.

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