Ihr Vater misst mehr als 1,90 Meter, aber niemand sagt „Großwüchsig“. Die Poetry Slammerin und Bloggerin Ninia LaGrande ist 1,40 groß und wäre für manche Medienformate die perfekte Attraktion. In einem Kommentar beschreibt LaGrande warum ihr Alltag kaum filmreif wäre.
Kleine Menschen im TV – Zwischen Mitleid und Faszination
Annina hat mich auf eine neue Sendung aufmerksam gemacht, die ab dem 19. August 2012 auf Sat.1 laufen soll: „Die große Welt der kleinen Menschen“. Schon bei dem Titel möchte ich eigentlich spontan kotzen. Kleinwüchsige werden bei ihrer Hochzeit, Küchenkauf und anderen „alltäglichen Herausforderungen“ begleitet. Ulla Kock am Brink wird diese Sendung moderieren und ich verspreche mir leider nicht besonders viel Positives davon. Ich erwarte eine mitleidserregende Kackscheiße, die nicht im Geringsten den Alltag eines kleinwüchsigen Menschen realistisch darstellen wird. RTL II hat sich nämlich schon mal an dieser verrückten Spezies, die wir für viele offensichtlich darstellen, abgearbeitet. In „Kleine Leute, große Welt“ (ein Schelm, wer entfernte Ähnlichkeiten zum Sat.1-Titel erkennt) wurden ebenfalls Kleinwüchsige begleitet. Ein paar Mallorca-Promis durften sich mit ihnen vor der Kamera zeigen, um deutlich zu machen, wie ganz egal ihnen das ist, ob da ein Behinderter oder vermeintlich Gesunder neben ihnen sitzt. Und zwei Mädels gingen mit der Kamera auf Kontaktsuche (natürlich können Kleinwüchsige auch nur unter ihresgleichen nach Partnern suchen, das ist ja mal ganz klar).
Interessant in Reportagen dieser Art ist auch, dass sie meist nur Menschen mit einer bestimmten Form des Kleinwuchses zeigen: die typischen „Zwergendarsteller“ aus Hollywood mit großem Kopf und kleinen Gliedmaßen. Dabei gibt es so viele unterschiedliche kleine Menschen. So wie es auch unterschiedliche große Menschen oder unterschiedlich dicke Menschen oder unterschiedlich blonde Menschen gibt (die Liste ist unendlich erweiterbar).
„Das ist ja toll, dass du das machst, obwohl du kleiner bist“
Es gibt für mich nichts Schlimmeres als positive Diskriminierung. Kommentare nach dem Motto „das ist ja toll, dass du das machst, obwohl du kleiner bist“. Das ist nicht toll. Es ist gut. Es ist gut, dass ich das auch machen kann. Aber es wäre einfach schlimm, wenn es nicht ginge. Ich bin nicht mutig, nur weil ich vor die Haustür gehe, wie alle anderen Menschen auch. Es hat auch nichts mit Mut zu tun, sich den blöden Blicken und Sprüchen auszusetzen. Sondern es ist einfach völlig asozial, scheiße und unmutig von den Anderen solche Blicke und Sprüche zuzulassen oder gar selbst zu äußern. In dieser Sache habe ich keinen Mut. Ich habe nur ein dickes Fell.
Hürden benennen statt Körpergröße betonen
Allerdings: Es gibt auch gute Beispiele im TV. Ich habe schon ein paar Dokumentationen und Beiträge gesehen (nie bei den Privaten), die ohne Wertung einfach gezeigt haben, welche Hürden es im wahrsten Sinne des Wortes für kleine (oder auch sehr große) Menschen manchmal gibt.
Und: Ich verabscheue das Wort „Kleinwüchsige”, obwohl ich es in diesem Beitrag mehrmals verwendet habe. Aber ich finde, das hört sich einfach bescheuert an, findet ihr nicht? Mein Vater ist mit seinen 1,93 schließlich auch kein „Großwüchsiger”. Und: Wenn ihr (mal) Kinder habt und die sehen kleine Menschen und wundern sich: Dann lasst sie nachfragen! Ich finde das gut, wenn die mich selbst fragen. Dann kann ich ihnen nämlich gleich erklären, dass nicht jede/r Kleinwüchsige ein/e „Liliputaner/in” ist. Und nicht bei allen ist es vererbt oder durch Drogen in der Schwangerschaft oder sonstige Einflüsse entstanden. Manche Menschen sind einfach klein. Get over it.
Ich bleibe nun also in spannender Erwartung auf die Sendung und habe mir bereits einige lustige Begleitaktionen ausgedacht. Und dabei fiel mir ein: Interessiert es euch eigentlich, an was ich aufgrund meiner Größe manchmal scheitere? Dann mache ich daraus eine neue Blogreihe. Allerdings auf meinem Niveau, nicht auf dem von RTL II und Co.! Zu diesem Thema empfehle ich euch noch völlig uneigennützig mein eigenes Buch „… und ganz, ganz viele Doofe“ mit Illustrationen von Alex.
* Ich nutze wesentlich lieber den Begriff „behindert“ als „benachteiligt“. Ich empfinde mich nicht als benachteiligt, stoße aber ab und an auf Dinge, die mich behindern (hohe Regale, große Treppen usw.).
Titelbild: Ninia Binias