Greta & Starks – Gründerin: An erster Stelle stehen Inklusion und Teilhabe

Eine Person sitzt im Kino und hat das Smartphone mit der Greta-App in der Hand. Es ist dunkel und im Hintergrund ist die Leinwand in der unschärfe zu sehen.
Foto: Greta & Starks / Frank Blümler

Mit Greta & Starks können seh- und hörbehinderte Menschen barrierefreies Kino erleben. Im Gespräch mit Jonas Karpa berichtet Gründerin Seneit Debese von der Entstehung und Plänen für die Zukunft.

Leidmedien.de: Wie ist Greta & Starks entstanden?

Seneit Debese: Meine erste Begegnung mit blinden Menschen hatte ich, als ich eine Reportage über eine blinde Sportlerin gemacht habe. Mir ist dabei aufgefallen, dass es für sie in ihrer Freizeitgestaltung schwierig war, am Kinoerlebnis teilzuhaben. Ich hatte eine Idee, wie man das Problem lösen könnte und habe mich dem Thema angenommen. So ist dann Greta & Starks entstanden. 

Leidmedien.de: Wie arbeitet ihr? Was ist das Geschäftsmodell von Greta & Starks? 

Seneit Debese: Wir bekommen die Aufträge hauptsächlich vom Filmverleih, seltener auch von den Produzenten. Die Verleiher haben als Betriebe, die den Film ins Kino bringen, ein Interesse, den Film zugänglich zu machen, sodass er viele Zuschauer erreicht. Manche Verleiher, wie zum Beispiel Piffl Medien, Neue Visionen, Constantin, Concorde, StudioCanal, Weltkino und X-Verleih, aber auch US-Studios wie Universal, Disney und Warner sind sehr engagiert. Es gibt barrierefreies Kino in Deutschland nur wegen dieser Verleiher. Es gibt allerdings noch einige, die wir noch gewinnen wollen.

Unser Ansatz ist flächendeckend barrierefreies Kino, in jedem Kino und in jedem Saal, daher machen wir Preise, die die Kinobranche bezahlen kann. Eine Hürde bei der Barrierefreiheit ist immer das Geld. Wenn man Leute fragt, ob sie Interesse an Inklusion haben, dann stimmen alle zu. Aber wenn sie es bezahlen sollen, dann sieht es schon etwas anders aus. Und deshalb stellen wir den Zuwachs an Werten in den Vordergrund. Unser Anliegen ist es, wertvolle Kinomomente für unsere Anwender zu ermöglichen, wir wollen der Kinobranche helfen neue Zuschauer und zufriedenere Zuschauer zu gewinnen, wir wollen den Wert von Gemeinsamkeit, gemeinsamen Erlebnissen im Kino und in unserer Gesellschaft fördern und dabei wollen wir mit unseren Preisen nicht im Wege stehen. Natürlich wollen wir profitabel sein, aber das steht nicht an erster Stelle. An erster Stelle stehen Inklusion und Teilhabe.

portraitfoto von Seneit Debese, die vor einer dunklen Leinwand steht und eine schwarze Bluse trägt.

Seneit Debese

Seneit Debese, CEO der Greta & Starks Apps GmbH Seneit Debese hat ihr Studium der Wirtschaftswissenschaften 2003 abgeschlossen. Sie lebt in Berlin und hat über 15 Jahre Erfahrung in der Filmindustrie und dem internationalen Vertrieb von Filmen. 2013 gründete Sie die Greta & Starks Apps GmbH.

Leidmedien.de: Ist der Filmverleiher verpflichtet, einen Film barrierefrei zur Verfügung zu stellen?

Seneit Debese: Jein. Die Kinos sollen barrierefrei sein. Das passiert aber auf freiwilliger Basis. Entweder die Kinobetreiber kaufen sich spezielle Geräte, oder private Initiativen so wie unsere, die eine software-basierte und günstige Herangehensweise haben, ermöglichen Barrierefreiheit.

Leidmedien.de: Habt ihr ein Muster, nach dem ihr Filme bereitstellt?

Seneit Debese: Wir stellen jeden Film bereit, von dem wir einen Auftrag bekommen. Wir entscheiden nicht, welcher Film sehenswert ist und welcher nicht. Einzig und allein der Anwender oder die Anwenderin entscheidet, was er oder sie sehen möchte. Um Blockbuster wie Endgame, Fast ´n Furious, Pets, König der Löwen haben wir sehr aufwändige Sicherheitsupdates gemacht, die mehrere 10.000 Euro gekostet haben. Die Entscheidung liegt letztendlich bei den Verleihern. Zum Glück gibt es weitere, extrem engagierte Akteure wie Barbara Fickert, die mit ihrer Kinoblindgänger GmbH Filme wie „Nur eine Frau“, „Astrid“, „Ein Gauner und Gentlemen“ und viele weitere Filme finanziert. 

Leidmedien.de: Gibt es auch Verleiher die sich, unabhängig vom Geld, gegen Audiodeskription sperren?

Seneit Debese: In der Kinobranche muss auf jeden Fall weitere Awareness-Arbeit gemacht werden. Am Anfang gab es schon einige Leute die gesagt haben “hier in meinem Einzugsgebiet gibt es keine blinden Menschen.” Kurz später hat sich dann herausgestellt, dass gegenüber des Kinos eine Niederlassung eines Blindenverbands war. Dem Betreiber war das nicht aufgefallen. Sowas ist häufiger passiert. Und ja, es gibt Verleiher, die wir noch nicht von den Vorteilen überzeugen konnten. Vielleicht bräuchte es eine konkrete gesetzliche Verpflichtung.

Leidmedien.de: Betreut ihr die Filme auch redaktionell?

Seneit Debese: Überhaupt nicht. Wir sind nur der Technologieanbieter und machen selbst keine Audiodeskription. Die Abnahme der Audiodeskription erfolgt durch die Filmverleiher.

Leidmedien.de: Gibt es eine Art Qualitätskontrolle bei dem, was ihr geliefert bekommt?

Seneit Debese: Wir wissen, dass die Verleiher, mit denen wir zusammenarbeiten sehr engagierte Unternehmen sind, die einen hohen Qualitätsanspruch haben und wahren. Es gibt Anforderungen an ADs und UTs. Wir verwehren keiner AD den Zugang. Die Anwender sind mündig genug, um ihr eigenes Urteil zu fällen. Aber wir hatten noch nie den Fall, das eine Audiodeskription, die von den Verleihern zur Verfügung gestellt wurde, nicht gut war. Die Audiodeskription der Studios ist wirklich hochwertig und auch die Arthouse-Verleiher machen saubere Arbeit. Selbst wenn es ein Hobby- oder Studentenprojekt wäre, sind wir nicht die Barriere und würden es bereitstellen. 

Leidmedien.de: Mit eurer App kann man sich während des Kinobesuchs auch Untertitel anzeigen lassen. Wie funktioniert das genau?

Seneit Debese: Ja, Greta kann auch Untertitel synchron auf dem Handydisplay darstellen. Die Magie des Kinos ist, in Geschichten und unbekannte Welten einzutauchen. Vorzugsweise in eine, die eine andere Lebensweise, eine andere Realität darstellt, als die eigene. Deshalb muss die Nutzung unserer App Greta für die Untertitel wesentlich komfortabler werden. Wir entwickeln seit einigen Jahren ein Headset, das Untertitel gefühlt auf der Leinwand darstellt. So können sich unsere Untertitel-Anwender im Kinosessel entspannt zurück lehnen und vor allem auch die Hände frei haben z.B. für Popcorn. Da wir die Weiterentwicklung mit eigenen Mitteln finanzieren, geht es leider langsam voran. Es ist nicht die beste Lösung, aber überhaupt eine Lösung, neben offenen Untertiteln auf der Leinwand. Von den Zuschauer*innen, die es nutzen, bekommen wir positive Rückmeldungen.

Rote Kinositze auf denen ein weißes Smartphone mit einem weißem Kopfhörer liegt.
Foto: Andi Weiland | Gesellschaftsbilder.de

Leidmedien.de: Gibt es durch euer Angebot mehr Zuschauer*innen?

Seneit Debese: Auf jeden Fall. Erstens gehen jetzt viel mehr blinde und gehörlose oder seh- und hörbeinträchtige Menschen mit Greta ins Kino und von den Rückmeldungen wissen wir, dass sie es jetzt viel mehr genießen. Unsere Nutzer gehen durchschnittlich häufiger ins Kino, als sehende oder hörende Kinobesucher. Bisher waren es über 400.000 Kinobesuche mit einem Umsatz von knapp 4 Millionen Euro. Wenn man bedenkt, dass die meisten Menschen in Begleitung ins Kino gehen und Getränke und Snacks wie z.B. Bier, Cola oder Popcorn kaufen, kann der Gewinn durch die App verdoppelt bzw. verdreifacht werden. Wir freuen uns sehr über viele und regelmäßige, überwiegend positive Rückmeldungen. Wir freuen uns ausdrücklich über Kritik und Verbesserungsvorschläge, die uns helfen, unser Angebot zu verbessern.

Leidmedien.de: Was sind eure weiteren Ziele?

Seneit Debese: Wir haben mehrere Ziele: Zum einen wollen wir noch viel mehr Filme mit Audiodeskription und Untertiteln zur Verfügung stellen. Zum anderen sollte der Anwender frei sein in der Wahl des Films und nicht danach gehen müssen, ob er verfügbar ist oder nicht. Außerdem werden wir weiterhin Synergien schaffen zwischen der Kinobranche, also den Verleihern und den Kinos, den nachgelagerten Verwertungsstufen TV und DVD-Anbietern sowie den Streamingdiensten. Wenn alle – bezüglich der Barrierefreiheit – besser zusammenarbeiten können, dann reduzieren sich die Kosten auf ein Drittel, da sie auf diese drei Verwertungsstufen verteilt werden. Der Nutzen wäre dann verdreifacht. Das wäre eine Win-Win-Situation für alle. Wir arbeiten daran, unser Netzwerk zum Beispiel mit den Blinden- und den Gehörlosenverbänden, den privaten Fernsehanstalten und Streaminganbietern wie Maxdome auszubauen. Es bedarf aber auch eines kleinen Umdenken in den Köpfen und das Aufbrechen von alten, festgefahrenen Abläufen. „Das haben wir immer so gemacht”, haben wir schon zu oft hören müssen. 

Zwei scrennshots der Greta-App
Foto: Greta & Starks

Ein weiteres Ziel ist es, andere Sprachfassungen bereitzustellen. Denn meine Definition von Inklusion ist, etwas zu schaffen, dass viele verschiedene Leute nutzen können. Ein tolles Hilfsmittel und ein tolles Gadget. Wir haben etwas für Barrierefreiheit entwickelt und dann gemerkt, dass wir eine viel größere Nutzbarkeit schaffen können, wenn wir auch andere Barrieren wie Sprachbarrieren berücksichtigen. Ich selbst habe die App genutzt, als ich in New York war und konnte dadurch den Film mit deutschen Untertiteln schauen und besser verstehen. 

Leidmedien.de: Arbeitet ihr auch international? 

Seneit Debese: Wir sehen Inklusion auch in Bezug auf Beschäftigung. Wir haben in anderen Ländern angefangen, Einzelpersonen, Unternehmen und Verbänden ein Social-Franchise anzubieten. Wir wollen Zugang zu Kino aber auch Zugang zu Beschäftigung und Einkommen anbieten. 

Aber auch länderunabhängig versuchen wir mit Verleihern und Kinos zu kooperieren und „Allianzen“ zu schaffen. Die UCI-Gruppe ist da ein wirklicher Vorreiter, denn sie markieren alle Filme die über Greta und Starks verfügbar sind auf ihrer Webseite. Das würden wir uns von allen Kinoketten wünschen.

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