Eine unkonventionelle Liebesgeschichte – mit Tricktechnik

Am 1. September kam die französische Liebeskomödie „Mein ziemlich kleiner Freund“ in die deutschen Kinos. Die erfolgreiche Anwältin Diane verliebt sich in den 1,36 m großen Architekten Alexandre und das scheint nicht nur für die beiden ein Problem zu sein. Ninia LaGrande hat den Film für euch schon gesehen.

Nach einem Streit mit ihrem Exmann und Geschäftspartner vergisst Diane ihr Handy in einem Restaurant. Der Finder ruft beim Eintrag „Zuhause“ an, die beiden verabreden sich. So beginnt die Liebeskomödie „Mein ziemlich kleiner Freund“. Was Diane beim Telefonat noch nicht weiß: Alexandre ist 1,36 Meter groß – und entspricht damit nicht unbedingt dem Bild, das sie sich von dem sympathischen Anrufer mit der attraktiven Stimme gemacht hat. Umso überraschter ist sie, als sie ihn dann im Café trifft, um ihr Handy wiederzubekommen. Doch Alexandre lässt sie gar nicht lange nachdenken und nutzt die Gelegenheit, Diane zu einem spontanen Fallschirmsprung einzuladen. Und so nimmt die Liebesgeschichte der beiden ihren Lauf.

Der Film trumpft nicht gerade mit überraschenden Wendungen oder einer außergewöhnlichen Story auf. Das einzig Besondere an dieser 0815-Liebesgeschichte ist die Körpergröße Alexandres, der von dem französischen Oscar-Gewinner („The Artist“) und Superstar Jean Dujardin gespielt wird. Huch, denkt man da vielleicht im Kino, ich wusste gar nicht, dass Dujardin so klein ist. Richtig! Ist er nämlich nicht. Der Darsteller ist eigentlich 1,82 Meter lang und wurde für den Film mit viel Tricktechnik „geschrumpft“. Er versuche sich immer wieder an neuen Dingen in seinem Metier, erklärt Dujardin im Interview. Für diese Rolle habe er sich in seine Kindheit zurückgesetzt, als er eben so groß war wie Alexandre. Beim Dreh sei er dann mal auf Knien gerutscht oder auf einer Erhöhung gestanden – alles, damit es glaubwürdig bleibe.

Und genau das ist das Problem. So richtig glaubwürdig kommt Alexandre nicht rüber. Er ist zwar klein, aber seine Proportionen bleiben die eines großen Menschen, wie auch DeutschlandradioKultur feststellt. Die Authentizität bleibt dabei leider auf der Strecke. Das ist auch der Punkt, den die Portale weser-kurier.de und quotenmeter.de in ihren Rezensionen kritisieren: Die Idee für diesen unkonventionellen Film sei toll, bei der Umsetzung habe das Team dann leider der Mut verlassen.

Vertane Chance oder schon Gedankenwandel?

So sieht das auch der Großteil derer, die in einer Facebook-Gruppe für kleinwüchsige Menschen über den Film diskutieren. „Ziemlich grotesk keinen kleinwüchsigen Schauspieler für die Rolle eines kleinwüchsigen Mannes zu nehmen“, schreibt Michel A. „Schade, schade“, findet auch Robert S. Peter B. hat eine Erklärung: „Ein großer Name soll Zuschauer ziehen.“ Ob ein französischer, kleinwüchsiger Schauspieler die Kinokassen genauso klingeln lassen würde wie Jean Dujardin – das bezweifelt Peter B.

Dass die Wahl auf ihn gefallen sei, begründet Jean Dujardin im Interview mit ntv mit der Auswahl des Genres, da “es sich doch eher um ein Märchen und keine ‘Behinderung’” handele und der Regisseur sonst eher “in die Doku-Schiene gegangen (wäre), um zu zeigen, was es mit einem macht, wenn man so klein ist”. Auch Medien wie Merkur sprechen von einem Märchen, das eben nichts mit dem echten Leben zu tun habe. Das Abendblatt kritisiert jedoch, dass der Film “unter dem Deckmantel, Vorurteile gegen kleine Menschen anzugehen, diese eigentlich bestätigt, indem man statt einer einigermaßen authentischen Besetzung ausgerechnet Jean Dujardin tricktechnisch kleiner macht.”

Die meisten aus der Facebook-Gruppe für kleinwüchsige Menschen wollen sich den Film trotzdem anschauen. Auch wenn es am Ende „doch wieder nur eine Die-Schöne-und-das-Biest-Story“. Es gibt aber auch andere Meinungen: Franziska T. ist es ziemlich egal, ob der Darsteller wirklich kleinwüchsig sei oder nicht. Sie findet, man solle den Film als Chance auf einen Gedankenwandel beim Zuschauer sehen und nicht immer alles auf die Goldwaage legen.

Süße Geschichte, echte Barrieren

Ob der Film tatsächlich einen gesellschaftlichen Wandel vorantreiben kann, möchte ich nach meinem Kinobesuch bezweifeln. Trotzdem fühlte ich mich entgegen meiner Erwartungen gut unterhalten. Die Liebesgeschichte der beiden ist süß, es gibt die üblichen Probleme mit dem Ex und eben die dumm-dreisten Blicke und Sprüche des Umfelds, wenn Diane und Alexandre gemeinsam unterwegs sind. Vor allem Dianes Mutter vereint die gesamte Bandbreite der Diskriminierung in einer Person. Ich mochte, dass der Film keinen Halt macht vor den Zweifeln Dianes und der Unsicherheit Alexandres – der, ganz anders als er nach außen wirken lässt, dann doch mal an sich selbst zweifelt. Alle Barrieren, an die Alexandre im Laufe des Films stößt, sind aus dem Alltag gegriffen und nicht übertrieben. Besonders schön: Wie er auf Stühle springt oder versucht, Servietten mit einer abenteuerlichen selbstgebauten Leiter von einem hohen Regal zu fischen. Da habe ich richtig mitgefühlt.

Interessant auch, wie das restliche Kinopublikum auf den Film reagiert hat. Ich war die einzige kleinwüchsige Kinobesucherin. Insgesamt schienen sich alle gut unterhalten zu fühlen. Einerseits regten sich einige bei manchen Situationen zu Recht stark auf (als Alexandre z.B. von einem Mann im Anzug übersehen und angerempelt wird), andererseits lachen sie sich bei jedem neuen Bild, in dem nochmal klar werden soll, dass Alexandre wirklich, ja wirklich klein ist, kaputt. An manchen Stellen war ich dann die einzige, die laut gelacht hat – vielleicht, weil die anderen noch überlegt haben, ob sie jetzt lachen dürfen.

Wer Lust auf einen seichten, unterhaltsamen Kinofilm hat, dem kann ich „Mein ziemlich kleiner Freund“ empfehlen. Vor allem, weil Virginie Efira – die Darstellerin der Diane – den inneren Konflikt ihres Verliebtseins toll spielt und es Spaß macht, den beiden Protagonisten zuzuschauen. Wermutstropfen bleibt die Tatsache, dass sich Regisseur Laurent Tirard trotz schöner Idee nicht getraut hat, die Rolle des Alexandres authentisch zu besetzen. Denn: Kleinwüchsige Schauspieler gibt es – sie dürfen im Regelfall nur immer noch nicht die Hauptrollen spielen. Das wäre dann wirklich unkonventionell gewesen.

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