Wir finden einfach niemanden! – Diese und andere Aussagen haben wir schon öfter über Schauspieler*innen mit Behinderung gehört. Wir sammeln Argumente gegen Ausreden.
1. “Warum ist es so wichtig, dass Rollen mit behinderten Schauspieler*innen besetzt werden? Bäcker*innen oder Forensiker*innen werden auch nicht von Menschen gespielt, die diesen Beruf ausüben… ”
Eine Behinderung ist Teil der Identität einer Person, kein Beruf. Es sollte bei der Rollenvergabe also auch um Authentizität, Repräsentation und um Chancengleichheit gehen. Daher an dieser Stelle ein Appel an nichtbehinderte Schauspieler*innen: Denkt über Repräsentation, Identität und Chancengleichheit nach, wenn ihr eine Rolle, die eine Behinderung enthält, angeboten bekommt.
Schauspieler Tom Schilling, der im Kinofilm “Die Goldfische” eine Rolle im Rollstuhl verkörperte, verglich das Rollstuhlfahren lernen damit, Zigarre rauchen zu lernen. Es stimmt, dass Schauspieler*innen jemand anderes als sich selbst verkörpern; verschiedene Berufe oder historische Figuren spielen. Aber: hier wird eine Behinderung einem Beruf bzw. einer alltäglichen Tat wie dem Zigarre rauchen gleichgesetzt. Das ist auf der Identitätsebene falsch und verbaut Schauspieler*innen mit einer echten Behinderung jede Menge Chancen, Rollenangebote wahrzunehmen. Weiße Menschen haben zum Glück auch damit aufgehört, schwarze Menschen zu spielen, dies ist mittlerweile unter dem Begriff Blackfacing verpönt. Schauspielerei ist ein Beruf, es sollte kein Stehlen von Identitäten sein.
2. “Am Set ist es zu gefährlich und nicht barrierefrei, Drehtage sind für behinderte Menschen viel zu anstrengend…”
Wem gelten diese Bedenken? Man sollte nicht von einem Erlebnis auf alle anderen behinderten Personen schließen. Ein*e Schauspieler*in mit fehlender Hand ist nicht so sehr auf Sicherheit und Barrierefreiheit angewiesen, wie andere. Außerdem gibt es Assistenzen und Begleiter*innen wie die Initiative Rollenfang, die behinderte Schauspieler*innen ans Set begleiten. Mehr solcher Initiativen sind dringend notwendig.
3. “Wir würden gerne authentisch besetzen. Es gibt aber keine Schauspieler*innen mit Behinderung.”
Was fest steht: Die Ausbildung der Schauspieler*innen muss inklusiver und barrierefreier werden, damit es mehr Nachwuchs geben kann. Doch es gibt bereits Schauspieler*innen mit Behinderung. Wir haben mit Hilfe unserer Community einige zusammengesammelt (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
Kassandra Wedel
Sebastian Urbanski
RJ MItte
Selma Blair
Nico Randel
Howie Seago
Franz Rogowski
Jana Zöll
John Patrick Garth
Julia Häusermann
Luisa Wöllisch
CJ Jones
Marlee Matlin
Erwin Aljukic
Ali Stroker
Bobby Brederlow
Emanuelle Laborit
Carina Kühne
Martin Fromme
Peter Dinklage
Juliana Götze
Zack Gottsagen
Manni Laudenbach
ChrisTine Urspruch
Benjamin Piwko
Samuel Koch
Michael J. Fox
Nele Winkler
Tamara Röske
Millicent Simmonds
Weitere Schauspieler*innen mit Behinderung findet ihr bei der Initiative Rollenfang.
4.“Aber man braucht prominente Namen, die die Filmförderung sichern und die Zuschauer*innen ins Kino locken…”
Gehen wir mal aus, dass es so ist. So könnte man trotzdem Statist*innen und kleinere Rollen verstärkt mit behinderten Menschen besetzen. In Filmen und Serien sollte die gesamte Vielfalt der Bevölkerung sichtbar sein. Das würde die Kreativität der Plots erhöhen und Vorbilder für Nachwuchskünstler*innen schaffen.
5. “Muss ich mich wirklich während eines Kinobesuchs mit dem Thema Behinderung auseinandersetzen..?”
Jede*r ist frei in der Wahl des Films. Die Behinderung der Schauspieler*innen sollte kein Thema des Plots sein. Es ist nur eine von vielen Eigenschaften einer filmischen Figur.
Eine Antwort
Je besser Filme die gesamte Vielfalt des Menschseins abbilden, desto besser gefallen sie mir!