Monster, Freaks & Kuriositäten – historische Figuren

Behinderte Menschen aus dem Film "Freaks" 1931. In der Mitte steht ein nicht behinderter Mann mit Schnurrbart. Um ihn herum behinderte Menschen, meist kleinwüchsig. Eine Schwarzweiß-Fotografie.

„Einarmige“, „Zwerge“ oder „Siamesische Zwillinge“ – ungewöhnliche Körper haben schon immer großes Interesse auf sich gezogen. Bereits auf steinzeitlichen Höhlenmalereien findet man Darstellungen von behinderten Neugeborenen. Denker wie Aristoteles und Cicero haben sich mit dem Thema Behinderung beschäftigt. Sie war ein Symbol, das interpretiert werden musste, stand für göttlichen Zorn oder ein übernatürliches Zeichen.

„Monster“ wurden ungewöhnliche Körper früher genannt – das Wort leitet sich ab vom lateinischen Verb monstrare für „zeigen“ oder „warnen“. In Kuriositätenkabinetten wurden „Monster“ ausgestellt, römische und ägyptische Herrschende und der europäische Adel hielten sich über Jahrhunderte kleinwüchsige und „geistig behinderte“ Menschen als „Hofnarren“. Bevor sich Moderne und Medizin schließlich die Definitionsmacht über den ungewöhnlichen Körper sicherten und ihn als „krank“ und „heilungsbedürftig“ kennzeichneten, brachten ihn die „Freak Shows“ noch ein letztes Mal auf die Bühne des Wundersamen und Fantastischen. Vor allem im Nordamerika des ausgehenden 19. Jahrhunderts und des beginnenden 20. Jahrhunderts zogen Gruppen von „menschlichen Kuriositäten“ durch die Städte. In sogenannten „Side Shows“ präsentierte ein Show-Direktor menschliche Seltsamkeiten – wie das „Armlose Wunder“, den „Kleinsten Mann der Welt“, die „bärtige Frau“, „Siamesische Zwillinge“, den „Schlangenmenschen“ oder die “Frau ohne Unterleib“.

Vermischung Mensch und Tier

Oft waren es behinderte Menschen, die durch eine bunt ausgeschmückte und erfundene Biographie zum „Freak“ ernannt wurden. Für viele von ihnen bedeutete das Sich-Ausstellen eine Aufwertung ihres sozialen Status, und für manche war es die einzige Möglichkeit, ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Einige körperliche Besonderheiten wurden in den Freak-Shows überzeichnet dargestellt, zum Beispiel wenn ein auffällig pigmentierter Mensch zusätzlich geschminkt und so aus ihm der „Leoparden-Junge“ wurde. Solche Vermischungen von Mensch und Tier waren üblich, oft gab es einen „Dogfaced Boy“, – einen „hundegesichtigen Jungen“ -, oder einen „Affenmenschen“.

Neben der bloßen Ausstellung ihrer Andersartigkeit zeigten die Freaks ganz normale Tätigkeiten wie eine Zigarette anzuzünden oder einen Brief zu schreiben – taten dies aber zum Beispiel mit den Füßen, weil ihnen die Arme fehlten. Oft wurde auch die Normalität ihres Lebens in die Freakgeschichte mit einbezogen – etwa ein „normaler“ Partner bzw. Partnerin oder eine „normale Familie“, die manchmal auch mit auf die Bühne kamen. Gerne wurden Gegensätze nebeneinander gestellt – zum Beispiel der „Riese“ und die „kleinste Frau Amerikas“.

Gruppenfoto aus der Inszenierung von Christoph Shclingensiefs "FreakStars 3000"

„Freak Shows“ heute – Boulevard-Berichte

Elemente der Freakshows, der Kuriositätenkabinette oder der Hofnarren kann man auch in heutigen medialen Darstellungen behinderter Menschen wieder entdecken. Was der Freak Show-Direktor früher machte, erledigt heute der Trailer im Boulevard-Fernsehen. Die moderne Freakshow ist der TV-Beitrag oder der Printboulevardbericht über einen behinderten oder „kranken“ Menschen, der aber doch erstaunliche Dinge leistet und überaschend „normal“ lebt. Es ist die Übertretung von scheinbar naturgegebenen Grenzen, das Aufwirbeln einer als unverrückbar gedachten Ordnung der Körper, die immer noch erschreckt und fasziniert zugleich. In der Präsenz des ungewöhnlichen Körpers wird der „gewöhnliche Körper“ hinterfragt und zugleich immer wieder als „normal“ bestätigt – ein Beruhigungsmittel in einer Zeit, in der Schönheits- und Fitnessideale ein immer strengeres normierendes Regime führen, dem kaum ein Körper ganz entsprechen kann.

Weiterführende Links und Literatur

Titelbild: Aus dem Film „Freaks“ von 1932

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